laut.de-Kritik

Hier hängt der Himmel voller Geigen.

Review von

Während immer mehr junge Künstler die musikalischen Perlen der 60er und 70er Jahre für sich entdecken, pfeift einer, der diese Zeit bei vollem Bewusstsein erlebt und über mehr als drei Dekaden lang mitgestaltet hat, vollkommen auf den Charme der Motown-Ära.

Die Nostalgie hat Lionel Richie wahrlich nicht am Wickel. Für "Just Go" setzt er durchgehend auf nach topaktueller Manier durchgestyleten Hochglanz-R'n'B. Dafür lädt sich Mr. "Hello" auch gleich ein ganzes Regiment angesagter Produzenten ins Studio.

Unter den beteiligten Reglerschiebern finden sich Namen, über die man inzwischen gefühlt bei jeder zweiten Platte in den Charts stolpert: Die Norweger von StarGate mischen mit, The Dream, Christopher 'Tricky' Stewart und Ne-Yo haben ihre Finger am Mischpult.

Akon, der ebenfalls zweimal als Produzent geführt wird, greift bei der Gelegenheit auch gleich zum Mikrofon. Erfreulich, dass seine Beiträge zum Titeltrack und zu "Nothing Left To Give" zur Abwechslung einmal nicht exakt wie 95 Prozent aller Akon-Featureparts tönen.

Der Vorteil: "Just Go" mutet so kein bisschen verstaubt an, sondern bewegt sich voll und ganz auf der Höhe der Zeit. Der Nachteil: Es klingt über weite Strecken wie jede andere R'n'B-Platte, derer in den letzten Jahren viele den Markt überschwemmten. Piano, Claps, satte Bässe, wahlweise Ooooh-, Uuuuh- oder Lalala-Backgroundgesang, Streicher und Chimes: Oft unterscheiden sich die einzelnen Titel nur in der Reihenfolge, in der diese Elemente ins Spiel gebracht werden.

Lionel Richie besitzt gegenüber der teilweise blutjungen Konkurrenz jedoch einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil: Mit einem ganzen gelebten Leben im Rücken wirkt seine Jonglage mit großen Vokabeln der Kampfklasse "Forever" und "Eternity", die schließlich zum Handwerkszeug eines Schmusesängers gehören, nicht halb so fragwürdig, wie wenn ein 19-Jähriger von immerwährender Liebe zu erzählen versucht.

Sein Gesang spiegelt eine Menge Erfahrung wider. Allem voran das Wissen darum, die eigenen Möglichkeiten richtig einzuschätzen und entsprechend einzusetzen. Er übernimmt sich nirgends und passt zudem die Gangart an: Mit Ausnahme des (dann auch prompt peinlichen) Ausrutschers in Richtung Kirmes-Techno ("Somewhere In London") regiert auf "Just Go" zurück genommenes Tempo.

"Dancing On The Ceiling" war gestern, heute ruft ein nicht mehr taufrischer Interpret zu einer wesentlich würdigeren Engtanzrunde. Obwohl teils extrem raumgreifend angelegt, gleiten die Beats nur selten (leider ausgerechnet im Duett mit einer starken Trijntje Oosterhuis) zu arg in den Pop ab. Anderenorts herrscht dagegen eine angenehm sparsame Instrumentierung vor.

Das große Finale lässt sich Lionel Richie aber nicht nehmen: "Eternity" protzt mit umfangreichem Streicheraufgebot und opulenten, Gospel-inspirierten Chören. Hier hängt der Himmel voller Geigen. Wehe nur, wenn die runterfallen! Klavierläufe, in "I'm Not Okay" oder dem beschwingteren "Pasttime" auch mal der Hauch einer Akustikgitarre: Viel mehr hätte es wirklich nicht gebraucht, um einem Lionel Richie eine Bühne zu bieten.

Trackliste

  1. 1. Forever
  2. 2. Just Go feat. Akon
  3. 3. Nothing Left To Give feat. Akon
  4. 4. Forever And A Day
  5. 5. I'm Not Okay
  6. 6. Good Morning
  7. 7. Through My Eyes
  8. 8. I'm In Love
  9. 9. Think Of You
  10. 10. Into You Deep
  11. 11. Pastime
  12. 12. Face In The Crowd - Duet with Trijntje Oosterhuis
  13. 13. Somewhere In London
  14. 14. Eternity

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7 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    jepp ich bin erste und meine name ist evil_angry_dady_666 :wusrtham:

  • Vor 15 Jahren

    @angry_dady (« jepp ich bin erste und meine name ist evil_angry_dady_666 :wusrtham: »):

    Super.

  • Vor 15 Jahren

    Lionel Richie hat Welthits geschrieben. Immer noch gut.
    Die neueren Sachen wie z. B. "I Call It Love" vom letzten Album ist halt Soul RnB. Nichts weltbewegendes, aber trotzdem annehmbar. Ich hoffe er macht nochmal richtig guten Soul wie in den 70ern/80ern. Aber, meine Fresse, der Mann wird im Juni 60. Hut ab!

    Eine Sache (rein musikalisch) verstehe ich bis heute nicht: Warum dieser Rhythmus-Wechsel bei "Say You, Say Me"?

    Übrigens: Gebt mal bei Wikipedia seine liebe (Adoptiv-)Tochter ein. Da sieht man gleich das tolle Polizeifoto aus dem Jahre 2006. Tja, "Hello".

  • Vor 15 Jahren

    Naja. Fands beim ersten reinhören jetzt nicht schlecht. Aber an Sachen wie "My Destiny" oder "Three Times A Lady" wirds sicher nicht rankommen.

  • Vor 15 Jahren

    An seine Welthits (im positiven Sinne) kommt er wahrscheinlich niemals mehr heran. Braucht er aber auch nicht, so lange er Alben wie dieses rausbringt, die beweisen, daß er eben nicht in die Bedeutungslosigkeit abstürzt. Vor 3 oder 4 Jahren noch hätte ich mich mit seinen neueren Solowerken kaum bis gar nicht beschäftigt. Bis ich die Gelegenheit hatte, daß ich ihn bei SWR3 "hautnah" erleben konnte....was sich im Nachhinein als Glücksfall erwiesen hatte. Der Mann ist sowas von natürlich, freundlich und gleichzeitig cool, das kann eigentlich nicht professionell eingeübt oder geschauspielert sein.
    Dani hat übrigens Recht: auf besagtem Konzert hat er sich in einigen Songs naggisch gemacht, ohne das übliche Soundgedöns. Seine Stimme ist phänomenal, er sollte sich vielleicht wirklich mal überlegen, eine Art von "akustischem" Album aufzunehmen. Ich bin sicher, es würde wunderbar klingen.

  • Vor 15 Jahren

    Muss mal wieder die "Back To Front" rauskramen.... Hat schon verdammt gute Songs gehabt früher, der Lionel......