laut.de-Kritik

Popjazz, ferkelweich und mächtig zugleich.

Review von

Als das Cover dieser CD vor einigen Tagen zum ersten Mal auf meinem Schreibtisch lag, erblickte es meine Frau und sagte: 'Wenn die Musik so klingt, wie ihre Beine aussehen, dann ist das bestimmt eine großartige Platte.' Diese Vermutung trifft auf ganzer Linie ins Schwarze. Die insgesamt sechste Scheibe der jazzigen Berliner Vollblutsängerin zeigt ebenfalls Bein. Sie verbindet Geschmack, Lässigkeit und Charme zu einer glänzenden Kette mit nicht weniger als 11 Perlen. Sechs Cover und fünf eigene Lieder. Unter diesen befindet sich zum Glück keine einzige Schaumperle.

Nun ist Qualität im Hause Bassenge/Kleber ohnehin zu keinem Zeitpunkt der mittlerweile zehnjährigen Karriere ein Fremdwort gewesen; ganz im Gegenteil. Dennoch gelingt mit diesem Album ein bemerkenswert großer Wurf. Ganz bewusst sucht Bassenge die Nähe zu poppiger Leichtigkeit. Im Gegensatz zu vielen Kollegen des Genres verzichtet die Chanteuse elegant auf jeglichen anbiedernden Notenschleim Marke Lidl-Mucke. Natürlich werden Reichsbedenkenträger und Jazzpuristen mal wieder angewidert die nicht immer ganz so feine Nase rümpfen und den Untergang der Musikkultur herbei reden. Wen juckt's?

Die Coverversionen sind allesamt klug ausgewählt. Davon zweimal die Knef. Selbstverständlich macht Bassenges launige Variante von "In Dieser Stadt" Hildes einmaliges Timbre nicht vergessen. Das ist auch nicht ihr Ziel. Aber sie kann sich locker daneben behaupten, was etwas heißen will. Die Stimme der Mittdreißigerin ist wie Zucker in Absinth - eigentlich süß, aber mit überraschenden Untiefen versehen. Das leichtfüßig Pariser Stadtcafe Arrangement steht dem lieb gewonnenen Chanson sehr gut. Ohnehin: Würde man Till Brönner (der noch mit Hildegard Knef arbeitete) als den amerikanischsten unter den deutschen Jazzern bezeichnen, dann wäre die gute Lisa sicherlich die Französin des Genres.

Ein weiteres Highlight: "Kosmetik" von Joachim Witt. Das Lied stammt aus fernen Zeiten, in denen der 'Goldene Reiter' noch künstlerisch tätig war und nicht die sinistre Kitschkrähe Lepra auslösenden Wagner-Rocks gab. Ferkelweich und mächtig schlängelt Bassenge sich durch einen musikalischen Bastard aus Swing und leichtem Modern Jazz. Geil! Von all den guten Element Of Crime-Songs schnappt sie sich hernach zielsicher "Seit Der Himmel", eine echte Lyrik-Sternstunde Regeners. Klassik? Kein Problem! "Auf Einer Burg" platziert Hofdame Lisa nicht nur den Eichendorffschen Ritter, auch Robert Schuhmann hätte seine Freude an dem höchst dezent angepluckerten Arrangement.

Bei so viel Lorbeer geraten die Eigenkompositionen passionierter Vokalisten meist zur nichtssagenden Zäpfchenübung. Nicht so bei LB. Keiner ihrer eigenen Songs fällt ab, alle bestätigen lyrisch und musikalisch den rundweg gelungenen Genuss. Ein sonniges Sommerfrischler-Liedchen wie "Über Eis" trumpft mit Bossa-Schickund dem ansteckenden Gesang eines hellen Glöckchens auf. "Zwei Angler stehen vor einem Loch im Eis und holen ein kleines rotsilbernes Fischchen hinauf ins Weiß. (…) Gehörst du zu mir oder zum See?" Man achte auch auf die dezente Orgel im Titelstück. Der tief dunkelrot schimmernde Blues-Country-Walzer rundet alles mit einer Prise Singer/Songwriter ab, wie es auch Rickie Lee Jones nicht selten gelingt.

Wer noch kein Frühlingsgeschenk für die Freundin hat, sollte hier geschwind zugreifen, bevor es übers Jahr wieder nur Pseudo-Weibermucke von Barbara Schöneberger und Annett Louisan zu hören gibt. Bereuen werden es beide nicht.

Trackliste

  1. 1. Über Eis
  2. 2. In Dieser Stadt
  3. 3. Nur Fort
  4. 4. Seit Der Himmel
  5. 5. Girl In The Mirror
  6. 6. Kosmetik
  7. 7. Auf Einer Burg
  8. 8. Hörst Du Nicht Mein Herz
  9. 9. 17 Milimeter Fehlen
  10. 10. Leider Nur Ein Vakuum
  11. 11. Aus Der Wilden Weste

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1 Kommentar

  • Vor 13 Jahren

    ALso musikalisch taugt die Platte schon, aber die Frau gibt mir gar nix. Generell Lyrics die von Frau Humppe kommen könnten und eine Stimme die andauernd schwächlich hinter der Musik verschwindet. Tatsächlich wäre die Frau in etwas weniger Musik besser aufgehoben. , verspielte Chansons vielleicht, aber so hat das keine Energien. Da find ich "Pseudoweibermucke" wie Schöneberger oder Louisan auch nicht schlechter. Tja kriegt die Freundin wohl doch das neueste Silly ALbum, da kann mein Gehör wesentlich besser mit umgehen.