laut.de-Kritik
Von klanglicher Dürre und einem gewaltigen Organ.
Review von Alexander CordasGinge es lediglich um die Covergestaltung, sollte man dem zuständigen Fuzzi mal seinen Rechner klauen, und die Festplatte mit einem Magneten massieren. So was geht gar nicht. Silberfarbene, gesichtslose Nakedeis wirbeln durch die Luft und bilden etwas, was man - gemäß dem Albumtitel - als Baum bezeichnen könnte. Stilisierte Frauenleiber mäandern durch eine Traumwelt - angedeuteter Cunnilingus inklusive.
Träumerisch klingt - wieder einmal - der Beginn des Albums. Lisa scheint sich über sparsam gesetzte Klänge in Trance zu singen. Klar artikulierte Laute sind kaum zu vernehmen. Eher benutzt sie ihr gewaltiges Organ wie ein Instrument, um eine sehnsuchtsvolle Melancholie aus den Tiefen der tönenden Dunkelheit emporsteigen zu lassen. Ganze sechs Minuten verharrt sie in dieser meditativen Stimmung, ehe "Shadowhunter" mit angedeuteten Percussions nach vorne zu schieben scheint. Der Schein trügt aber. Bedrohlich wummert ein unheilvoller Bass durchs Off. Lebensbejahendes klingt anders.
Gerrard suhlt sich geradezu in einer klanglichen Dürre. Langgezogene Akkorde, dezente Streichersätze und Keyboardflächen umgeben die vokale Allmacht der Sängerin. Wer ihren Ergüssen zu "Whalerider" lauschen durfte, hat eine gute Orientierungsmöglichkeit zur Hand, wo sich der silberne Baum befindet, um den sich die Songs ranken.
Ihre letzten Soundtrack-Arbeiten haben allem Anschein nach Spuren hinterlassen. So klingen weite Teile des Albums nicht unbedingt wie stringent durchgezogene Songs, sondern eher wie deren Versatzstücke, die Verwandtschaften zur musikalischen Untermalung fieser Horrorstreifen offenbaren. Zu den flirrenden und drohenden Klängen von "Mirror Medusa" sollte keiner durch dunkle Räume marschieren müssen.
Erst mit dem folgenden "Space Weaver" löst sie sich aus diesen alptraumhaften Sphären. Dementsprechend tönt ein fast schon schmetterndes "My precious love" durch den Raum. Gott sei dank, nicht dass sich der eine oder andere bereits über die Art und Weise seines vorzeitigen Ablebens Gedanken macht. Wie wandlungsfähig Lisa Gerrard sein kann, macht dieser - Obacht! - ins soulige tendierende Track deutlich. Im Hintergrund grummelt sogar etwas, was man als Dub-Bassline interpretieren könnte. So schnell kanns gehen. Erst noch wie ein ausgekotztes Stück Elend in der Abstellkammer einer steinzeitlichen Höhle vergammeln, jetzt schon wieder auf den Schwingen der Liebe gen Himmel empor steigen. Achterbahnfahrt wäre in diesem Zusammenhang noch untertrieben.
Leider lässt sich nicht ermitteln, wer hier den Leadgesang übernommen hat. Gerrard hält sich mit ihren Vocals begleitend im Hintergrund und überlässt ihrem Gast die Bühne. Dieser singt über ein Klangbild, das den frühen Massive Attack zu Ehren gereicht hätte. Emotional führt Gerrard den Hörer mit "Towards The Tower" und dem Höllenspektakel "Sword Of The Samurai" noch einmal in besagte Abgründe, lässt das Album aber doch mit dem angenehmen "The Valley Of The Moon" ausklingen.
Schade, dass Lisa Gerrard ihre Songs überwiegend am Rechner zusammen bastelt. Einer warmen Atmosphäre ist dies nicht unbedingt dienlich, da viele der Sounds eben recht künstlich klingen. Welchem Konzept die teilweise schon Industrial-lastigen, bösen Sounds folgen, erschließt sich ebenfalls nicht. Neben den verstörenden Elementen bietet Gerrard aber einmal mehr herausragende Vokalkunst, ohne jedoch musikalisch wirklich Neues oder Herausragendes zu bieten.
12 Kommentare
Was macht die gute Dame für einen Musikstil? Über lauter blumiger Beschreibungen konnte ich es bislang nicht herausfinden.
dein pech
...und Jazz / World is mir auch zu weit gefasst.
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Also etwas schöneres hab ich ewig nicht gehört hab diese wunderbare scheibe vor ca.zwei jahren im media-markt gehört und sofort gekauft lag dann erstmal ein paar monate im schrank und seitdem ich sie gehört hab gehts überhaupt nicht mehr ohne sie heutzutage wird ja viel am rechner zusammengebastelt aber das hört sich nicht mal ansatzweise nach musik an ich durfte Lisa Gerrard im juli 2008 live mit Klaus Schulze auf dre Loreley erleben -der GANZ GROßE WAHNSINN gänsehaut pur! [/url]
die gute lisa ist selbst mit - für sie - durchschnittlichem songmaterial eben oft noch um längen besser, als das meiste unsägliche heavenly voices-kroppzeug dieser tage.
aber ohne den strukturgebenden brendan perry ist das eben auch ein wenig wie mmccartney ohne lennon, ohne richards. oder gallagher ohne drinks.
den ultimativen höhepunkt haben beide meines erachtens mit "withi the realm of a dying sun" gehabt. das kann man nicht perfekter machen.
@dein_boeser_Anwalt («
den ultimativen höhepunkt haben beide meines erachtens mit "withi the realm of a dying sun" gehabt. das kann man nicht perfekter machen. »):
hm, das stimmt wohl. das ist so gut, man traut sich wirklich kaum, dabei einzuschlafen und wenn, hat man nach dem aufwachen schon fast ein schlechtes gewissen.