laut.de-Kritik
Vom stolzen Schwan zum flügellahmen Entlein.
Review von Ulf KubankeBeim Format "Swan Songs" handelt es sich um ein konzeptionell interessantes Nebengleis von Lord Of The Lost. Dort servieren sie ihre sonst hart daherschrammelnden Rocksongs im akustischen bzw. neoklassischen Outfit. Nach dem bereits 2015 erschienenen ersten Teil gibt es pünktlich zur Herbstzeit nunmehr "Swan Songs II". Es hätte alles so schön werden können.
Denn es gibt durchaus positive Aspekte. Die harten Originalversionen zu kennen, ist keine Vorbedingung. Im Gegenteil: In neuer Staffage erstrahlen etliche Nummern erst recht. Insofern lohnt sich die Platte grundsätzlich auch für Einsteiger. Das Kammerorchester glänzt als echter Partner mit Arrangements zwischen rhythmisch stimmiger Routine und inspirierter Dramatik. Von spartanisch angeschlagener Pianobegleitung bis hin zu opulenten Hollywood-Streichern überzeugt die Bandbreite. Als besonderes Highlight empfehle die hörbar an den 80er Morricone angelehnte Begleitung zur Strophe von "The Devil You Know".
Ebenso zeigt sich im Rahmen klassischer Texturen, dass der vielgescholtene Chris Harms entgegen landläufiger Meinung ein durchaus passabler Songwriter ist. Wer darüber hinweg sieht, dass die große dramatische Geste fast ausnahmslos ins Melodram mündet, erhält mit Liedern wie "Lighthouse", "The Broken Ones" oder "My Better Me" unterhaltsame Groschenroman-Spannung. Im qualitativen Gothic-Kontext ist das eben mehr John Sinclair als Poe oder Lovecraft.
Schlussendlich scheitert die Platte - wenn auch auf hohem Niveau - dennoch an Harms höchstpersönlich. Es ist kein Geheimnis, dass etliche deutsche Kapellen aus Schwarzer Szene und Metal-Ecke sich mit hoffnungslos handwerklicher Überforderung im gesanglichen Bereich die Ausstrahlung ruinieren, sobald sie sich an intimer Klassik versuchen. Eine große Ausnahme ist an der Dunkelheimerfront noch immer die grandiose "Acoustic" von Deine Lakaien aus dem Jahr 1995.
Von solch notwendigen Fähigkeiten ist Harms weit entfernt. Den eigentlich guten Songs fehlt eine facettenreichere Stimme, die in den hohen Passagen nicht konstant hinter den Instrumenten herhinkt. In solchen Momenten müht sich der Hamburger zwar redlich. Was als stolzer Schwan abhebt, landet jedoch rasch als flügellahme Ente.
Dessen scheint Chris "The Lord" Harms sich durchaus bewusst zu sein und setzt deutlich auf die Überbetonung der rauhen, groben Seiten seines Organs. Der Schuss geht freilich nach hinten los, da er hierdurch inmitten der filigranen Instrumente konstant wie ein Fremdkörper wirkt. Am Ende hat man das Gefühl, die Stimmen von Fury In The Slaughterhouse und In Extremo hätten ein cartooneskes Kind gezeugt, das noch nicht recht zu singen versteht. Sollte er zukünftig diese Schwächen abstellen, könnte die "Swan Songs"-Reihe noch einmal richtig interessant werden.
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