laut.de-Kritik
Superhit mit Soße und Justin Bieber.
Review von Yannik Gölz"Despacito und meine größten Erfolge", titelt die jüngste CD vom frischgebackenen Latin Pop-Weltstar Luis Fonsi. "Despacito", an diesem Punkt eine Landmarke, über die es kaum noch zu sprechen lohnt. Kein Ohrwurm, ein mannsgroßer Ohrblutegel, der nun seit sechzehn Wochen auf der Pole Position der Billboard-Charts kampiert und mit dem Weltrekord von Mariah Carey und Boyz II Men gleichzieht.
Naheliegend also, diesen Titel noch einmal aus den größten Erfolgen auszuklammern und ihm eine Sonderrolle in Fonsis Diskographie einzuräumen, die nun wohl im Verzug eines amtlichen Albums zunächst eine Compilation nachschiebt, um noch mal handfest vom gewaltigen Hype zu profitieren. Die Trennung zwischen "Despacito" und seinen größten Erfolgen gibt übrigens auch auf einer anderen Ebene Sinn: Denn Amerikaner oder Mitteleuropäer wie wir, die auf einmal zur kaufkräftigen Zielgruppe dazu gestoßen sind, haben im Grunde keine Ahnung. Weder von Latin Pop – noch von Luis Fonsi.
Ich möchte mich an dieser Stelle auch gar nicht zum Latin-Experten aufschwingen. Abgesehen von einem Urlaub auf den Kanaren in meiner frühen Kindheit und einem Album von Daddy Yankee zum Anfang der Zweitausender ist meine Genrekenntnis vermutlich so limitiert wie die eines jeden anderen deutschen Hörers, der nun auf Luis Fonsi trifft. Und was soll ich sagen, vielleicht sind meine kalt-effizienten, krautdeutschen Ohren einfach nicht sensibel genug, aber in der Erwartung an ein Pop-Album irgendeiner Fasson lässt mich Fonsis Schaffen hier durch die Bank kalt.
Hat man sich erst einmal an den sonischen Wechsel in Gefilde von etwas spanischeren Gitarren und dem sehr bardenhaften Gesang gewohnt, lädt an diesen neunzehn Titeln wenig zum Verweilen ein. Die meiste Zeit schmachtet der Tanktop-tragende Puertoricaner sich durch langsame Gitarrenballaden, die auch durch eine mannshohe Sprachbarriere hindurch noch geradezu unerträglich pathetisch und verkitscht anmuten. Ich mutmaße einfach mal ins Blaue, dass keiner dieser Titel über soziale Ungleichheiten der lateinamerikanischen Welt fachsimpelt, sondern irgendwo zwischen "Corazon" und "Amor" pendeln. Dazu dann eben Gitarre, ein paar Streicher und Retorten-Drums, fertig ist die Laube.
Zwischendrin finden sich immer mal wieder Titel wie "Tentacion" oder "Gritar", die Tempo und Energie zwar ein wenig aufdrehen, dabei aber so dicht, überproduziert und geschwollen klingen, das man fast das Gefühl entwickelt, man höre gerade ein Anime-Intro auf Spanisch. Problematisch an alledem ist eben, dass die musikalischen Tricks und Griffe sich sehr oft ähneln, man irgendwann ein recht handfestes Bewusstsein dafür hat, wie die Songs sich entwickeln werden und dementsprechend auch auf Unmengen an eigentlich exotischem Material quasi von nichts überrascht wird.
Luis Fonsi scheint da einfach ein recht formelhafter Songwriter zu sein, da hilft auch seine schöne Gesangsstimme und die angenehmen Melodien nicht sehr viel. Denn angenehm hin oder her lässt sich recht schnell feststellen, warum keiner seiner sonstigen "großen Erfolge" auch nur annähernd an "Despacito" heranreicht. Wirklich eingängig entwickelt sich da nichts, alle Akkordfolgen und Instrumentalwechsel bewegen sich in ähnlichen Bahnen und die Sprachbarriere verhindert dann noch eine tiefgehende Identifikation mit dem Protagonisten gänzlich.
Aber auch darüber hinaus gibt es den ein oder anderen Grund, zu vermuten, bei dieser Compilation aus der acht Platten tiefen Diskographie Fonsis könnte es sich um einen recht halbgaren Cash-In handeln. Denn "Despacito" eröffnet das Album nicht nur, sondern schließt es als Salsa-Version auch ab. Doch wem das nach Einstieg ins Album immer noch nicht genug "Despacito" ist, der bekommt auf Track 2 sogar gleich noch die Justin Bieber-Version von "Despacito"! Macht das restliche Album zwar jetzt nicht viel genießbarer, aber zumindest den Ohrwurm wird man für den Rest des Tages nicht los.
3 Kommentare
Ungehört 1/5. Diesen spanischen Quatsch kann ich mir nicht geben.
Es ist ein Album für Krieger aus dem Dschungel. Viel Spaß damit.
Wer so was kauft, der guckt auch Rom-Coms im Kino.
Dear Mr Trump
Please Wipe Puerto Rico out for this!