laut.de-Kritik

Untergrund-Underdog ohne Glaubwürdigkeitsproblem.

Review von

Immer wieder interessant, wie im ach so auf Realness bedachten Rap-Game jeder, der gerade eine Platte zu verkaufen hat, haargenau die gleichen Sprüche in die Runde klopft: Ich zieh' mein Ding durch. Die Szene geht mir am Arsch vorbei. Hater, Kritiken, Trends, Verkaufszahlen: Mir doch egal. Ich mach', was ich will, und überhaupt hab' ich schon regiert, als ihr alle zusammen bestenfalls noch in die Windeln geschissen habt.

Spannend wird das erst, wenn zwischen den ganzen Dampfplauderern einer seinen staubigen Hut in den Ring wirft, dem man diesen ausgeleierten Sermon tatsächlich noch abkauft. "Echter Wirds Nicht", meine Damen und Herren: Mit MC Bogy tritt zur Abwechslung einmal tatsächlich der Untergrund-Underdog auf den Plan, den Horden seiner (meist sämtlich erfolgreicheren) Kollegen so verzweifelt zu verkörpern versuchen.

Nichts könnte dem Atzenkeeper ferner liegen als ein Glaubwürdigkeitsproblem. Klar will auch er "vom Amt zum Strand", jedoch nicht, sofern er dafür sein Rückgrat verhökern muss. Dem "Rotz, den sie im Radio spielen", setzt Bogy - diesen Eindruck erweckt zumindest das erste Drittel seines Albums - nicht gerade innovativen, dafür aber hochgradig vergnüglichen, groovy Gangsterboogie mit ausgeprägtem Westcoast-Aroma entgegen.

G-funky quakende Tracks wie "Sie Haben Recht", "Heiße Jobs" oder (in furiosem Zusammenspiel mit Mach One) "Von Hier Oben", für deren Sound Klassiker wie "Gz And Hustlaz", "Nuthin' But A G Thang" oder "Gin & Juice" Pate standen, hätte ich mir mühelos auch eine ganze Platte lang geben können. Dass Bogy stellenweise ein bisschen rostig flowt: geschenkt! In solche Kulissen oder in den Italowestern-Vibe von "Überfall" passt er am Ende gerade deswegen prächtig.

Was die Überdosis schmalztriefender R'n'B-Hooks, mit der Bogy im Anschluss um sich wirft, weder besser noch besser auszuhalten macht. Im Chorus je-des verdammten Tracks schlonzt sich ein anderer Jonesmann (auseinanderhalten kann ich die Heulbojen, wenn überhaupt, ohnehin nur mit äußerster Mühe) einen ab, dass die Sülze nur so schwappt.

Hier tritt zugleich überdeutlich zutage, woran die "Biografie Eines Dealers" krankt: Es fehlt Bogy und seinen Mitstreitern an Sprachwitz, originellen Bildern und tragfähigen Geschichten. Im Gegenzug lassen sie wirklich kein einziges Hood-Klischee aus. Der gutherzige Ganove, die weinende Mama, der tote Homie, der sitzende Homie, die sitzengelassene Frau (natürlich schwanger), die sitzen-lassende Frau ... kein Ghetto-Stereotyp, das nicht ums Straßeneck geschlurcht käme.

Das Traumpaar ist - klar! - wie "Bonnie & Clyde", der gebeutelte Held holt sich - logo! - "Gebrochene Flügel". "Bleib' auf deinem Weg, Homie, kämpf', nutz' deine Chance" ... ach, bitte! Aus abgegriffenen Plattitüden und Durchhalteparolen lässt sich einfach kein plastisches Porträt eines Lebensweges zeichnen. Statt in die Tiefe zu gehen, schrappt Bogys "Biografie" lediglich die Oberfläche entlang und hinterlässt bestenfalls das eine oder andere Kratzerchen in der harten Fassade.

Vielleicht wäre dieser Makel weniger schmerzhaft ins Auge gesprungen, hätte Bogy die entsprechenden Titel nicht am Stück hintereinander weg gespielt, sondern etwas besser verteilt. Immerhin kriegt "Biografie Eines Dealers" gegen Ende mit dem Dreierpack aus "Downtown", "Echter Gehts Nicht" und der Hauptstadt-Hymne "Berlin Berlin" (mit Frauenarzt und B-Lash) noch einmal die Kurve - obwohl letzteres die Gropiuslerchen noch einmal aufscheucht, was wirklich niemand gewollt hat.

So richtig übel nehmen kann ich MC Bogy aber ohnehin nichts mehr, noch nicht einmal, dass die "Kayleigh"-Verwurstung in "Erinnerung" noch übleren 80er-Jahre-Keyboard-Sound auffährt als die Vorlage von Marillion. Ein echtes Kunststück, das. Aber was willste tun? Bogy macht eben, was alle anderen behaupten: Er pfeift auf alles und jeden und zieht sein Ding durch. "Bogy, Bogy ist sein eigener Boss", zweifellos nicht immer ein leichter Job. Also schickt den Mann endlich vom Block in die verdiente Villa.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Sie Haben Recht
  3. 3. Von Hier Oben feat. Mach One
  4. 4. Heiße Jobs
  5. 5. Überfall feat. Mosh36 & B-Lash
  6. 6. Untergrund feat. Amor
  7. 7. Für Die Homies feat. Jonesmann
  8. 8. Schnelles Geld
  9. 9. Erinnerung feat. Ozan
  10. 10. Nur Für Dich feat. Ibo
  11. 11. Bonnie & Clyde feat. Ibo
  12. 12. Himmel feat. Isar, Basstard & Amor
  13. 13. Gebrochene Flügel feat. Ozan
  14. 14. Überleb feat. Ibo
  15. 15. Downtown feat. B-Lash
  16. 16. Echter Gehts Nicht feat. Big Baba
  17. 17. Berlin, Berlin feat. Frauenarzt & B-Lash

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT MC Bogy

"Es war nie bunt, wie bei Micky Maus, die Kacke war am Dampfen. Doch heute sieht alles gut aus, denn ich nutze meine Chancen." (aus "Es Fing An Auf Der …

8 Kommentare mit 22 Antworten