laut.de-Kritik
Kurt Cobain hat auf seinen Akustikdemos härter gebattelt.
Review von Kay SchierMachine Gun Kelly ist nicht der Typ, dem man den großen Erfolg missgönnen würde. Als er zum ersten Mal mit seiner Musik an die Öffentlichkeit ging, war sein Image des Hardcore-Moshpitsoldaten, der lieber Hip Hop hört, halbwegs originell, er rappt halbwegs passabel bis mehr als anständig und hat einen halbwegs coolen Künstlernamen. In den letzten Jahren hat er sich aber auf allen Seiten überholen lassen, weil andere das, was Machine Gun Kelly tut, schlicht besser machen als er.
Wobei die "Binge"-EP dieses grundsätzliche Problem eher noch verstärkt. Grund für diese Veröffentlichung zum jetzigen Zeitpunkt ist offensichtlich sein äußerst medienwirksamer Beef mit Eminem als Antwort auf dessen Machine Gun Kelly-Diss ("Kamikaze"). Es ist ihm erst einmal anzurechnen, dass er das nicht auf sich sitzen ließ wie ein kleiner Schuljunge. Sich von seinem Idol zurechtweisen zu lassen, das hat ihm gar nicht geschmeckt. Das lässt er sich nicht gefallen, und die rund 125 Millionen Klicks, die der Track auf Youtube aufweist, beweisen, dass die Öffentlichkeit diese Chuzpe honoriert hat.
Es lässt sich wiederum nur mutmaßen, ob Kelly tatsächlich glaubte, dass er das Ding für sich entscheiden kann. Vielmehr steht zu befürchten, dass er das immer noch glaubt, beobachtet man sein trotzig-quengeliges Verhalten in Reaktion auf "Killshot". Der Track war sicher kein Meisterwerk, aber allemal ein gekonnter Blattschuss. Pack deinen Dolch wieder ein, Kelly, so Eminems "Killshot"-Tenor, du hast nicht das Zeug zum Vatermord, aber immerhin jetzt 15 Minuten Ruhm.
Hätte Kelly aus dieser weltweiten Aufmerksamkeit, die ihm momentan zuteil wird, etwas mehr gemacht als "Binge", sich einfach noch ein paar Wochen Zeit genommen, um künstlerische Aspekte herauszufeilen, die mehr sind, als Anti-Eminem oder gängige Trends, würde man diesen Beef im Nachhinein wohl anders beurteilen. Hätte er die Kaltschnäuzigkeit besessen, diese Fehde nur als Aufhänger zu benutzen, um der Welt zu zeigen, was wirklich in ihm steckt, hätte er viel gewonnen. Leider macht Machine Gun Kelly seinem Namen alle Ehre und feuert mit "Binge" abermals eine breit streuende Schnellschusssalve ab, von der keine Kugel so richtig sitzt.
Den gefühlvollen Autotune-Emo-White-Trash gibt er auf "Long Time Coming" etwa durchaus stimmig, allerdings auf einer Minute Länge zu kurz, als dass der Track eine nennenswert eigene Atmosphäre verbreiten könnte, die jenen bahnbrechenden Vorarbeiten eines Lil Peep auf Augenhöhe begegnet. Dann wird es erst einmal so richtig "Loco". Wow, noch keiner von uns hat daran gedacht, so einen Track zu benennen. Unterhält der Inhalt denn? "I got bitches blowin' like I got a whistle on me." Ey, Bruder. Beim besten Willen. Er will eben der wortgewandte Outlaw sein, das ist ok, aber so macht das alles doch keinen Spaß. Weder ist das besonders wortgewandt, noch besonders rebellisch. Es ist Trap-Rap-Status Quo, nicht mehr, nicht weniger. Wir alle haben besoffen wahrscheinlich schon einmal ähnliches gerappt. Ähnliches gilt für "Livefastdieyoung". Uff, wow. Kurt Cobain hat auf seinen Akustikdemos härter gebattelt.
Schon lustig, wie er auf "Rap Devil" die schäbige "Eminem ist schon über 40!"-Argumentation bemüht, welche die selbsternannten Stylechecker dieser Welt auf ihren größeren und kleineren Elendsblogs seit Jahren voneinander abschreiben, dabei aber mit 28 Lenzen wirkt wie einer, der den Trends der Jugend hinterherschaut. Tracks wie "Loco", "Signs" oder "Get The Broom" sind ganz offensichtlich Suicideboys in weniger zornig, weniger verstörend, weniger gut.
Hört man sich die Adlibs von "GTS" an, kann man nicht mehr von Inspiration sprechen, ohne rot zu werden, das ist offensichtliches Travis Scott-Plagiat. "Binge" wäre eben gerne ein bisschen "New Orleans", ein bisschen "Astroworld", ein bisschen "The Eminem Show". Die Aggression, die er vermitteln will, nimmt man ihm ab, aber ihr fehlt das Zwingende, was die Vorbilder eben so gut macht. Die Sounds blöken mit amtlichem Wumms aus den Boxen, über die Produktion der einzelnen Tracks lässt sich nicht viel Schlechtes sagen, allerdings eben auch nicht so viel Gutes, außer dass sie da sind und Laune machen, so lange man nicht zu sehr auf den Text hört.
Machine Gun Kelly tritt weiter künstlerisch auf der Stelle. Er hat sich die Zeit und die Produzenten nicht genommen, die ihm vielleicht zu einem eigenen Sound verholfen hätten. Stattdessen reibt er sich weiterhin zwischen den Strömungen des Rap-Zeitgeists auf, ohne wirklich zu einer dazuzugehören.
2 Kommentare
Die Eminemfanboys übernehmen
Ultralangweilies Album. Der Em Diss war das einzige Highlight.