laut.de-Kritik
Indie-Rock wie ein Til Schweiger-Film.
Review von Sven KabelitzDie Richtung stimmte erstmals wieder. Auf ihrem letzten Album brachten Madsen den Punk in ihre Musik zurück. Ab hier hätte es nach vielen Ausfällen endlich aufwärts gehen können, aber "Na Gut Dann Nicht". Stattdessen fassen sie auf ihrem neunten Album "Hollywood" alles zusammen, das in den letzten fünfzehn Jahren schief gegangen ist, und spülen es noch etwas weicher. Ein Indie-Rock-Album wie ein Til Schweiger-Film.
Die Band rund um die Gebrüder Madsen stellt sich als hinterhältige Schurken heraus. Mit rechts täuschen sie uns Tomte 2003 mit etws mehr Wumms vor, wollen uns so in die Nostalgie zerren. Mit links verpassen sie uns mit den wurstegalsten Allgemeinschauplätzen einen heimtückischen Haken. Selbst wenn man ihrem bisher glattproduziertestem Album musikalisch noch irgendetwas abgewinnen kann, ziehen einem spätestens die Texte die Weisheitszähne. Hier finden sich mehr Gemeinsamkeiten mit den fiesesten Schlagern als Ähnlichkeiten mit einem Dirk von Lowtzow oder einer Judith Holofernes. Einiges hier würden selbst die Sportfreunde Stiller nicht durchwinken.
Die weiße Taube schießt "Heirate Mich" ab. Eine Anbiederung an alle Heiratenden da draußen, denen Tim Bendzkos "Sag Einfach Ja" zu subtil erscheint. Ein Song, so romantisch wie das nächste RTL-Hochzeitsformat. "Heut ist ein perfekter Tag / Denk nicht nach, sag einfach ja / Und heirate mich." Nein. Da man im Herzen aber auch auf immer ein wenig Kaugummi-Punk bleibt, ist es zwingend nötig, all dies noch ein wenig mit einem schelmischen Augenzwinkern zu brechen und die Szenerie pseudo-individuell zu gestalten: "Ich finde, wir sind jetzt einfach spontan / Ich bau' dir einen Ring aus Marzipan."
Ansonsten: Schlager-Romantik in "Das Beste Von Mir" ("Alles glitzert und leuchtet und strahlt so schön mit dir"), ausgelatschte Bilder in "Brücken" ("Lass uns Brücken bauen / Heraus aus dem Nest / Über Mauern hinweg / In eine neue Zeit") und Öko-Durchhalteparolen für die eigene Seele ("Und ich glaub, die Welt ist noch nicht ganz verloren / Was ein Baum ertragen kann / Ertrag ich auch" ("Der Baum"). Wem das alles zu bieder erscheint, der darf in "Rock'n'Roll" pubertär-revolutionär die Nostalgie des Laternenaustretens, Luftgitarrespielens und Saft-und-Bier-Trinkens feiern. Wobei dieser Song mit seiner melancholischen Stimmung bereits aus dem musikalischen Einheitsbrei, den "Hollywood" bietet, heraussticht.
Der Titeltrack beginnt ruhig, Streicher leiten ihn ein. Madsen versuchen es hier in Politisch, greifen die Themen Migration, Geflüchtete und Fremdenhass auf. Für eine wirklich eindringliche Erzählung fehlt es ihnen aber schlichtweg an den lyrischen Fähigkeiten. "Er ist nur ein Junge wie die anderen auch / Und dieses Land suchte er sich nie aus / Sie schreien in den Straßen, er sei hier nicht willkommen / Er weint in sein Kissen und träumt sich davon / Er wäre gern ein Superheld, der über Meere fliegt / Und alle rettet, die er kennt, vor Hunger, Leid und Krieg." Das ist vom Gedanken her richtig, die Umsetzung bleibt aber oberflächlich. Letztendlich kippt der Song dann doch wieder in Madsens Standard-Mitgröl-Refrain: "Bau mir ein Hollywood / In diese graue Hood / Mach mich zum Superheld / Der keine Grenzen kennt." Eine verschenkte Chance.
Die sich in Dauerschleife wiederholenden hymnischen Hooks auf "Hollywood" erschlagen. Sie wirken nach fast zwanzig Jahren Bandgeschichte wie das langsam verblassende Tattoo des Urlaubsortes, an den man seit 2005 zweimal jährlich fährt. Immer demselben Schema folgend, lassen die Lieder interessante Schattierungen und Wendungen vermissen. Das ist nicht "Hollywood", das ist Gründau-Lieblos.
5 Kommentare mit 14 Antworten
Ich raffe mal so überhaupt nicht, wie und woran man bei dieser Band zwischen guten und schlechten Alben unterscheiden soll. Für mich waren Madsen schon immer genau so wie hier.
On point. Gehört in die selbe Tonne wie die Sportfreunde, Revolverheld, Polarkreis 18, Juli, diese ganzen deutschen Poprock-Scheißbands aus den Nullerjahren da.
Hast Silbermond und Jennifer Rostock vergessen.
Und das war auch gut so
Hhmmm, Polarkreis passt aber nicht so richtig in diese Aufzählung.
Doch, passt er. Wenn die Geschichte um deinen Bandnamen länger in den Köpfen potentieller Hörer*innen kreist als die Akkordfolge im Refrain deines einzigen Hits, dann gehörst du mit absoluter Sicherheit in die Aufzählung vollkommen egaler deutschsprachiger Befindlichkeits- und Kalenderspruchpopmusik erschaffender Personen eingereiht und zwar in Zukunft auch wieder ohne weiterführende Erläuterungen zur Begründung.
Die Geschichte ist aber auch pures Gold, da könnte die Band noch so gut sein...
Die da wäre?
Ein Großvater von irgendwem hat eine Expidition zum Polarkreis gemacht und dabei zwei Zehen verloren. War also am Polarkreis mit acht Zehen. Polarkreis 18.
Expedition*
Abgesehen vom ausgelutschten und zu oft verwendeten Wortspiel ist das schon eine hart dämlich-amüsante Story, ja. Danke, Caps.
Ich hatte mal ein Interview gelesen, wo es einfach nur ein Dateiname auf dem Rechner gewesen sein soll.
Zeig mir eine andere Deutsche Band, die von Streicher / Klavierbalade zu DnB Brechern mit Schreieinlagen zu poppigen Nummern mit Industrialexplosion im Outro wechselt. Da war definitv mehr Niveau als bei den anderen genannten zusammen vorhanden, ma sagen.
Sänger Solo aber absoluter Kernschrott.
"Zeig mir eine andere Deutsche Band, die von Streicher / Klavierbalade zu DnB Brechern mit Schreieinlagen zu poppigen Nummern mit Industrialexplosion im Outro wechselt."
Diese Beschreibung hört sich ehrlich gesagt sehr nach Musik für Wahlloshöris an. Kann dir also keine andere Band aus Deutschland nennen, die so etwas verbricht, und bin darüber hinaus auch äußerst skeptisch, ob ich so was können will oder überhaupt irgendjemand mit einem Hauch von gutem Geschmack das wirklich können sollte.
Aber weil ich von dir echt brauchbare Tipps und zustimmungswürdige Einwürfe kenne, bin ich versucht, sie doch mal auf Albenlänge auszutesten, und sei es nur um bei meiner weiterhin vorherrschenden Meinung bleiben zu können, dass sie mutmaßlich mehr Zeit investiert haben um sich unterschiedlich spektakuläre und glaubwürdige Geschichten zur Verschleierung des wahrscheinlich aus demselben Zufallsgenerator wie der von Eiffel65 stammenden Bandnamen auszudenken als aus einem Flickenteppich unterschiedlicher Genre-Versatzstücke plus Fetzen mehr oder minder dreist abgepauster, kommerziell erfolgversprechender Songwriting-Ideen tatsächlich ein Albung mit einem roten Faden zu nähen.
Hört sich tbh nach einer Band für einen gewissen User an, ma sagen.
klingt halt deutlich peinlicher als vergleichbare Ami-Bands mit dem Sound, weil es auf Deutsch ist
Dieser Kommentar wurde vor einem Jahr durch den Autor entfernt.
… "Ich finde, wir sind jetzt einfach spontan / Ich bau' dir einen Ring aus Marzipan."…
Warum kein „Schloß aus Sand?“
Gab’s schon?!
Reimt sich nicht?!
Ok.
Wie ? Ring aus Marzipan ? Dann doch ein Schloß aus Marzipan. Riesig und sooooo süß !
laut.de vs madsen runde?
aber fair enough, das kann man sich einfach echt nicht anhören