laut.de-Kritik

Das basslastige Comeback-Mixtape läuft den Trends hinterher.

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'Kein Anschluss unter dieser Nummer - da dü dü' - diesen da-dü-dü-Dreiklang sampeln die gewachsenen Major Lazer in "What Is The Time ft. Lady Lava". Es ist einer der wenigen Momente mit piepsenden Hochtönen auf diesem basslastigen Comeback-Mixtape mit dem zungenbrecherischen Titel "Gyalgebra". Die Crew hat sich um ein neues Mitglied mit jamaikanischen Wurzeln erweitert: Neu an Bord neben Diplo, Walshy Fire und Ape Drums ist die stimmkräftige, impulsive, fröhlich-selbstironische 28-jährige America Foster, Londonerin. Die ehemalige Security-Kraft war extrem viral gegangen, seit sie ein Video von ihrer Arbeit postete (und dann auch gefeuert wurde).

Ihr Erscheinen auf "Gyalgebra" steht für viel frischen Schwung, einen Neuanfang, einen Glücksfall des zuletzt etwas ausgelutscht agierenden Trios. An der Beat-Architektur ändert sie jedoch nichts. Auf "Piano Republik" hatten die bisherigen drei Anfang 2023 etliche flauschige Lounge-Tunes aneinander gereiht, zwar Tyla eine Bühne bereitet und gemeint, Amapiano ausschlachten zu können, aber keinen Hit mehr gelandet. Mit Marcus Mumford, mit dem sie 2020 den letzten Kracher im Rahmen von "Music Is The Weapon" verzeichneten, hatten sie sich von ihren Karibik- und Afro-Bezügen entfernt. Jetzt also ist der aktuell trendende Basshall-Sound dran. Selbstverfreilich hat das multinationale DJ-Team dafür einen Vorreiter dieser Strömung angeheuert, Kybba. Der Namensgeber des Basshall wanderte vom italienischen Stiefelabsatz nach Amsterdam aus und leiht dem beliebten jamaikanischen Bubble-Pop-Dancehaller Busy Signal in "Gangsta ft. Busy Signal, Kybba" seine Basslines.

Neben dem Brückenschlag in die anglophone Karibik findet sich auch Platz für die Repräsentation der Hispano-Karibik. Die laszive Reggaeton-Trapperin und Label-Unternehmerin Tokischa, 29, aus der Dom' Rep' referiert zu ihrem Lieblingsthema, mit dem sie auf der Platte keinesfalls alleine ist. Im einzigen englischen Satz des Tracks "Guyando ft. Tokischa" fleht sie "I wanna f*** you". Der Beat-Unterleger umfasst weichen Kirchglockenschlag, grunzenden Ultra-Bass, hölzernes Clap-Stick-Mikado, stumpfes Trap-Scheppern und Minimalismus als Prinzip. Rhythmisch kommt es zu einigen Synkopen, Beat-Aussetzern und plötzlich nachgereichten Sechzehnteln. Alles fokussiert sich auf Duett-Vocals im Spiel der Geschlechter. Die Mischung aus sehnsuchtsvollem Stöhn-Sprechen, Rappen und maunzigem Singen ist im dominikanischen Mikrogenre Dembow beheimatet.

Bei den gregorianischen Chorälen unter "Pendulum", die im Laufe des Tracks in einzelne Schnipsel zerhäckselt werden, verhält es sich inhaltlich kaum anders. Es geht darum, wie sehr die Frau dem Orgasmus entgegen glibbert und in ihrem unstillbaren Verlangen einen dutty wine-Dance aufführt. Dieser ist der Welt spätestens seit Tony Matterhorns gleichnamigem Hit vor 20 Jahren ein Begriff - da geht es tief in die Knie.

Lusophon wird es auch. "Jump And Twist ft. DJ Chipman" schließt portugiesischsprachige Strophen mit ein und heizt im Stile der brasilianischen Tropical-Trap-Dekonstrukteure Tropkillaz ein, integriert sogar ein bisschen Baile Funk. Hauptsächlich ahmen Major Lazer die Kollegen nach.

Die gesamte Selektion frühstückt wie ein Best Of des Clubmusic-Zeitgeists eine Reihe von Essentials ab, ohne dabei irgendwann einmal zu überraschen, innovativ zu sein oder durch besondere dramaturgische Kniffe oder Effekt-Tools einen Flow ins Mixtape zu bringen. Manche Übergänge in der Tracklist sind hinsichtlich der abrupten Tempowechsel und fehlenden Abstimmung Mixtape-No-Go's.

Ihr einziges Highlight mit Alleinstellungsmerkmal findet die EP bei "G.O.A.T. ft. Bunji Garlin". Starke Magnetwirkung geht durchaus auch von seiner sonoren Stimme aus, die hier durch ein paar Verfremdungs-Tunnel gezogen wird. Da pumpt das Ensemble so viele Hinhör-Reize in superschnellen Soca hinein und stellt mit Kollegin Foster einen guten Kontrast zu Bunji auf, so dass diese Competition- und Karnevals-Musik aus Trinidad sich hier größeren Kreisen öffnet.

Das Verdienst von Diplo und seinen Mitstreitern war es einmal, Trends selber zu setzen, statt nur einen Strauß an bestehenden zu absorbieren. Bestenfalls war es ihnen früher gelungen, handwerklich nicht-elektronische Sounds zu schillerndem Bounce-Gemisch aufzupolieren und aus Songs ein Non-Stop-Tape zu schnitzen, also klassische DJ-Arbeit. Bei relativ standardisierter Beat-Qualität und schwindender Innovation lässt sich wenig aus "Gyalgebra" ziehen. Die eingestreute, reproduzierte Hipness ist durchweg zwischen acht und 25 Jahren alt und wirkt in Summe steril und steif wiedergegeben. Das Album kann man schon mal hören ohne dass es stört, es dürfte aber bald wieder vergessen sein.

Trackliste

  1. 1. Bruk Down ft. Parris Goebel, SadBoi
  2. 2. What Is The Time ft. Lady Lava
  3. 3. Gangsta ft. Busy Signal, Kybba
  4. 4. Jump And Twist ft. DJ Chipman
  5. 5. G.O.A.T. ft. Bunji Garlin
  6. 6. Guyando ft. Tokischa
  7. 7. Peppa Pot
  8. 8. Mini Skirt
  9. 9. Pendulum

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