laut.de-Kritik
Moderner Bombast-Pop, wie gemacht fürs große Kino.
Review von Johannes JimenoEine soulige Stimme, Hang zu Streichern, komplexe Songstrukturen, und dies sogar 'Made in Germany': Das findet man nur selten. Seit zwei Jahren gibt es jedoch genau das in Form des Duos Malky. Mit "Soon" legten sie ein beeindruckendes und beinahe perfektes Debüt vor. "Where Is Piemont" knüpft daran an: Es setzt den Weg auf der eingeschlagenen Straße fort und nimmt zuweilen ausufernde Abzweigungen.
"The Only One" funktioniert hervorragend als opulenter Einstieg mit ruhiger melancholischer Grundstimmung, Streichern und Bläsern. Der hier gezeigte Filmmusik-Charakter zieht sich durch den gesamten Longplayer und gibt der Platte stets etwas Schwelgerisches. "Theodore" mit spanischer Gitarre, Kastagnetten und harmonischen Melodien nimmt sich anschließend zurück.
Insgesamt weht ein beruhigendes Lüftchen durch die komplexen Arrangements: Die Violinen spielen nur selten hektisch, Stoyanovs Gesang passt sich den Rhythmen der Instrumentierung an und fächert sein stimmliches Spektrum besonnen aus. Die musikalische Vielfalt und detailverliebte Dramaturgie faszinieren auch nach mehreren Durchgängen, womit sich Malky gekonnt aus dem Pop-Einheitsbrei empor heben.
Insbesondere die beiden weiblichen Gäste begeistern enorm. "Told I Must Die" dürfte sowohl James Bond als auch Quentin Tarantino gefallen, mit seinem unwiderstehlichen 70er-Agentenfilm-Style. Ibadet Ramadani erinnert an Lee Hazlewood, im Duett mit Stoyanov kommt "Summer Wine"-Feeling auf. Das malerische "Islands" mit der unverschämt sexy singenden Nicola Rost schwingt im Bossanova und Jazzpop Richtung Frank Sinatra. Diese Romanze, angelehnt an die Sixties, bezirzt ungemein.
Zwei kleinere, dissonante Ausfälle markieren zum einen "Modern Ark" mit nervigen Trompeten und gehetztem Refrain. Im Vergleich zum Rest des Album gleicht es einem epileptischen Anfall. Zum anderen das ungelenke "Painlover": Der Südstaaten-Flair bleibt bei den ständigen Rhythmuswechseln und einem kontinuierlich beschleunigten Beat, der dann urplötzlich versackt, nur damit der Song überladen zurück dröhnt, auf der Strecke. Gegen Ende übersteuert die Nummer gewollt bis zur Schmerzgrenze und macht ihrem Titel immerhin alle Ehre.
Die übrigen Songs gestalten sich sehr eingängig und strahlen Wärme aus, wie das Gospel-ähnliche "Cup Of Hope", das verträumte Interlude "The Fish" oder das orientalische "Lampedusa", das bis zum einsetzenden Drumkick-Beat nur mit feiner Akustik-Gitarre auskommt.
"Play" sticht dennoch heraus. In fast sieben Minuten hört man ein ausuferndes Freestyle-Bongo-Solo, im Hintergrund zirpende Grillen, einen lässig-fiependen Beat:Noch nie wurde so megacool die Hauptstadt Madagaskars, Antananarivo, besungen. Großes Kino!
Ein Stück Heimat für Daniel Stoyanov gibt es mit "Bulgaria" auch noch: eine kraftvolle Piano-Ballade, ausgeschmückt mit einigen Zeilen Bulgarisch, und der finale, mitreißende Balkan-Rhythmus beschließen das Album.
"Where Is Piemont" übertrifft zwar nicht seinen Vorgänger, steht aber ebenbürtig neben ihm. Der markante Sound und der große Reichtum an Abwechslung sorgen unter dem Strich für ein kohärentes Ganzes. Malky festigen dank der offensichtlich eingesetzten Streicherkompositionen und raffiniertem Einsatz dramaturgischer Mittel ihren Status als deutsche Ausnahme-Erscheinung im Pop-Business.
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