laut.de-Kritik

Das stinkt nach schäbigem Klau.

Review von

Hoppla, das ging ja mal schnell! Kaum hat man "Mr. Lonely" ins Regal geräumt, wirft das Dreamteam Medlock-Bohlen den Nachfolger hinterher. Die Strategie dahinter scheint klar: Hier reitet man die Popularitäts-Welle, bis sie bricht. Die dräuende nächste DSDS-Staffel könnte den hessischen Underdog schließlich einen guten Teil Aufmerksamkeit kosten.

Dieter Bohlen agiert diesmal nicht im Hintergrund: Ebenso fett wie sein aufgesetztes Grinsen (32 Zähne. Alle oben.) prangt sein Name neben dem seines Schützlings auf dem Cover. Immerhin: Niemand kann so sagen, er sei nicht gewarnt worden. "All Songs written and produced by Dieter Bohlen."

Dass ich nicht lache! "Wonderful Girl" bedient sich so unverhohlen bei Ben E. Kings "Stand By Me", wie "Get Out Of My Bed" The Supremes' "Where Did Our Love Go" zitiert. Eigentlich hätte der Anstand einen klitzekleinen Quellenhinweis geboten, und solche Abkupferei wäre möglicherweise sogar als Hommage an die Hits der frühen 60er durchgegangen. So stinkt es schlicht und ergreifend nach schäbigem Klau.

Mit "Love Is Beautiful" versucht sich Bohlen zudem auf einem Feld, auf dem er nur verlieren kann: Um nicht den käsigen Charme einer Nummer wie "Sunshine Reggae" zu verströmen, braucht man für eine glaubwürdige Interpretation jamaikanischer Volksmusik vor allem eins: More Fyah! Immerhin: Medlocks deutscher Akzent fällt dabei nicht ganz so störend ins Gewicht. Mit einem bisschen guten Willen deuten wir ihn hier eben in "Offenbacher Patois" um.

Abgesehen davon bekommt man es mit der klassischen Bohlen-Ballade zu tun. Kennt man eine, kennt man sie alle. Es gereicht "Dreamcatcher" nicht gerade zum Vorteil, dass sich eine solche an die nächste reiht. Vielfalt sieht anders aus, da helfen auch noch so discoide Handclaps in "My Dream Survive" nichts. Klimperndes Piano, flirrende Saiten, Streicher, das unvermeidliche Chimes-Geklirre, ab und an eine zahnlos-zahme E-Gitarre. Gegen Ende gleitet jeder Track in den Bombast ab und fährt in gefühlten 95 Prozent der Fälle auch noch den klassischen, Gospel-mäßig in Szene gesetzten Backgroundchor auf.

Den ein- oder ausleitenden Satz darf Mark Medlock gerne mal gesprochen vortragen. Zu Barry White, der dieses Stilmittel einst perfektionierte, bleibt trotz gefühlvoller Soulstimme noch ein weiter Weg. Warum zum Teufel darf dieser Sänger sein stimmliches Potenzial nicht ausspielen? Warum lässt man ihn tausendfach gehörte, hölzerne Grütze der Kampfklasse "You're unbelievable", "love is beautiful", "you are my everything", "I cannot live without your love", "show me all your love" bis hin zu "I want you to want me" singen?

Nicht einmal in die Songtitel investierte man auch nur einen Hauch von Originalität. "Don't Worry, Be Happy" höre ich mir in diesem Fall doch lieber aus dem Munde Bobby McFerrins und "Part Time Lover" von Stevie Wonder an. Die Aufforderung "Sing Halleluja" intonierte Dr. Alban ebenfalls um Welten schmissiger.

Klar, ohne Bohlen (dessen Gesang seit Blue System-Zeiten allerdings wirklich niemand vermisst hat) erreichte Mark Medlock niemals die Verkaufszahlen, über die er sich gerade wie Bolle freuen darf. Jedoch: Vielleicht käme am Ende sogar ein brauchbares Resultat heraus, brächte er den Mut auf, sich einen Produzenten zu suchen, der nicht nur das Geschäft versteht.

Mark Medlock braucht mehr Soul, als ihn der durchschnittliche Modern Talking-Track bietet. Ich mag die Hoffnung in diese Stimme noch nicht aufgeben. Im Schatten des Pop-Titanen sehe ich allerdings schwarz. Die Kasse stimmt, die Klasse bleibt auf der Strecke.

Trackliste

  1. 1. Unbelievable
  2. 2. Love Is Beautiful
  3. 3. Feels Like The First Time
  4. 4. Fly With Me
  5. 5. Moment Of My Life
  6. 6. Wonderful Girl
  7. 7. Get Out Of My Bed
  8. 8. I'm Still Here
  9. 9. Don't Worry
  10. 10. Only Forever
  11. 11. I Can't Forget This Night
  12. 12. My Dream Survive
  13. 13. When You Close Your Eyes
  14. 14. Part Time Lover
  15. 15. Sing Halleluja

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52 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    neee lars, ich kann sodi da verstehen.

    rein stimmlich ist der junge hochbegabt (medlock, nicht sodi.....oder?); von klang und ausdruck her stark in richtung lionel richie tendierend.
    wenn man dem geile soul und blues tracks komponieren würde, käme da was rum.

    erschreckend und fast schon abstoßend ist jedoch das demonstrative zurschaustellen von persönlicher unreife (der ist 30) und sexuell kokettierender peinlichkeit.

    es ist halt nicht halb so charmant, wenn medlock in 4min 5mal so gezwungen zu moderator und publikum "ihr drecksäcke" sagt, als wenn ein iggy pop leicht selbstironisch das publikum mit "come on motherfukkers" zum entern der bühne auffordert.

    und durch die orientierung am vorbild der kodderschnauze bohlen wird das ja nicht besser.

  • Vor 16 Jahren

    ulf, ich habe schon von den stimmlichen fähigkeiten von medlock gehört (nur nicht persönlich, da mich der kerl nicht interessiert). mich stört nur, dass sodhahn immer an dem äußeren rummzickt. es gibt auch unattraktive erfolgreiche künstler ;)

  • Vor 16 Jahren

    @dein_boeser_Anwalt («

    erschreckend und fast schon abstoßend ist jedoch das demonstrative zurschaustellen von persönlicher unreife (der ist 30) und sexuell kokettierender peinlichkeit. »):

    sehr schön formuliert, so wollte ich das auch ausgedrückt haben, aber wie so oft fehlt mir dazu das sprachliche niveau