laut.de-Kritik
Der Lamb Of God-Gitarrist setzt auf starke Songs statt Angeberei.
Review von Manuel BergerSlashs erstes Soloalbum diente Mark Morton - unter anderem - als Vorbild für "Anesthetic". Das bedeutet: stilistisch sehr unterschiedliche Songs und zahlreiche Gäste. Nicht alle davon zünden gleichermaßen. Zusammen machen sie aber definitiv Lust, künftig mehr Soloarbeiten des Lamb Of God-Gitarristen zu hören.
Es beginnt mit einem gerade für Linkin Park-Fans emotionalen Statement: Chester Bennington nahm mit Morton einen seiner letzten Songs auf, mit der rückblickend tragischen Kernzeile: "Cross out the days gone by." Als Vermächtnis eignet sich die Nummer hervorragend, zeigt sie doch die beeindruckende Bandbreite des 2017 verstorbenen Sängers. So brutal schreien hörte man ihn lange nicht mehr, der eingängige Refrain demonstriert den Mainstream-Appeal. Sogar ein "geshoutrappter" Nu-Metal-Part findet sich.
Schon jetzt ist klar: Morton geht es bei seinem ersten Soloalbum nicht darum, solistisch und gitarristisch anzugeben. Immer wieder setzt er mit feinen Riffs und Leads zwar Akzente, räumt aber den Sängern und ihren Melodien sehr viel Platz ein. Papa Roachs Jacoby Shaddix serviert er in "Sworn Apart" einen offenen Akkordteppich, worauf dieser nach Lust und Laune breite Melodiebögen spannt. Wie schon bei Bennington, kitzelt Morton Facetten des Sängers heraus, die dieser in seiner Hauptband eher selten vergleichbar auslebt.
Gleiches gilt für Morton selbst. In eindeutig vertraute Lamb Of God-Gefilde schippert er nur mit dem modernen Thrash-Hammer "The Never", der dank Chuck Billy am Mikro auch super aufs nächste Testament-Album gepasst hätte, und "Truth Is Dead", wo ohnehin LoG-Kollege Randy Blythe brüllt. Abwechslung zum gewohnten Bandstil gibts aber auch hier: Randy performt im Duett mit Arch Enemys Alissa White-Gluz, beide nutzen neben Growls auch ausgiebig ihre Clean-Stimmen.
Für die größte Überraschung sorgt "Axis". Mark Lanegan verleiht dem Stück raues Johnny Cash-Feel, Morton mischt elektronischen Beat mit Country/Blues-Picking und später auch breitbeinigen Rockriffs. Am Ende brilliert er mit einem ausgedehnten Bluesrock-Solo und verfällt gemeinsam mit dem ebenfalls groß aufspielenden Black Crowes-Drummer Steve Gorman in Jam-Laune. Letzterer trommelt außerdem bei "Blur", Mortons metallisiertem Kommentar zu Grunge. Prägendes Element hier: Mike Inez' (Alice In Chains) lässige Bassline.
Etwas blass bleiben die Myles Kennedy-Nummer "Save Defiance", wo weder Vocals noch Instrumente richtig auslösen, die zwar wegen angedeuten Hardcore-Punk-Gefühls anfangs coole, aber spätestens im Refrain nur noch belanglose Rocknummer "Black From The Dead" mit Buckcherrys Josh Todd und leider auch "Reveal".
Gerade bei letzterem hat man den Eindruck, hier wäre noch deutlich mehr möglich gewesen. Naeemah Maddox bringt mit ihrem sanften Gesang eigentlich viel frischen Wind in das sonst eher hemdsärmelige Album, genau wie die verzahnten Harmonien im Song und die Dream-Pop-Gitarre. Im Gegensatz zu den anderen Songs verliert Morton hier aber den Fokus seiner Komposition, am Ende mäandert der Track ziemlich wirr zum rettenden Schlussakkord.
Trotzdem bleibt nach diesem insgesamt starken Einstand eigentlich nur zu hoffen, dass "Anesthetic" kein einmaliges Event bleibt, sondern Morton seine Solokarriere auf dieser Basis ausbaut. Wie er in "Imaginery Days" beweist, ist er sogar absolut dazu in der Lage, ein Projekt als Frontmann zu leiten. Wir sind gespannt!
3 Kommentare
Sehr gutes Album. Kann man sich auch als Nicht-LoG-Hörer geben.
Finds auch ziemlich cool! Einzige schwachstelle leider der miles-Track. Reveal gefällt mir im Gegensatz zum Rezensenten ziemlich gut. Bester Track für mich bleibt cross off, dank chester (kann Nostalgie-bedingt sein...).
Cross Off und Axis sind meine Favoriten