laut.de-Kritik
In der Achterbahn gegen den Fahrtwind kotzen.
Review von Maximilian FritzSchon seit 1989, also definitiv zu Depeche-Mode-Hochzeiten, trampelt Martin Gore solo Schneisen ins wuchernde Dickicht abseits der emotionalen Pop-Großtaten seines Hauptprojekts. Eine Spur experimenteller, eine Prise weniger gefällig fällt sein Output dabei aus.
Jüngstes Beispiel dafür ist die "The Third Chimpanzee E.P.", die standesgemäß auf Mute erscheint. Instrumentell gehalten sind die fünf Stücke und, wie der Name bereits andeutet, thematisch ins Reich der Affen verfrachtet. Zum Peter Fox der Elektronik schwingt sich Gore aber glücklicherweise nicht auf, vielmehr bleibt er musikalisch so vage, dass sich schwingende Lianen und daran baumelnde Scheinmenschen keineswegs als Assoziation aufdrängen.
Jeder Track entpuppt sich als Ausflug des Keyboarders, Gitarristen und Sängers in den Maschinenpark. Und zwar als relativ folgenschwerer, der sich nicht zwischen Noise, Industrial und kleinen Pop-Gesten entscheiden kann und in der Achterbahn schließlich gegen den Fahrtwind kotzt.
Der Opener "Howler", benannt nach dem Brüllaffen, klingt dabei zunächst noch auf seine Art verheißungsvoll und enthält die eben angeführten Pop-Gesten, in deren Zug sich pompöse Synths gegenseitig hochschaukeln. Klingt nach dem Finale eines etwas trashigen, aber unterhaltsamen 80er-B-Movies. Was das titelgebende Tier damit zu tun hat, weiß nur Gore selbst.
Alle Tracks haben einen Jam-Charakter, kommen nicht so recht zum Wesentlichen. "Mandrill" hört sich mit seinem industriellen Stampf-Beat und den düdeligen Synths auf eine ulkige Art bedrohlich an, irgendwie wartet man drauf, dass Dave Gahans Organ den Track zum Song macht.
"Capuchin", genau, benannt nach dem Kapuzineräffchen, gefällt sich im Trab und entwickelt kurz vor der Drei-Minuten-Marke ein eigentümlich tapsiges Synth-Motiv, das irgendwie nach alkoholisierter Geisterbahnfahrt klingt. "Vervet" erhebt an vierter Stelle die Halbfertigkeit zur Kunst und sickert achteinhalb Minuten aus den Boxen. Auch hier: Durchwachsener Beat, seichte Symbiose aus künstlerischer Freiheit und merkwürdig kastrierter Eingängigkeit. Das Glockenspiel etwa, das ab der Hälfte des Tracks seinen Weg in den Mix findet, führt schlicht nirgendwo hin.
Vielleicht war das aber auch nie das Ziel. Das ist der Schluss, der sich nach dem Closer "Howler's End", der das Motiv des ersten Stücks nochmals aufgreift, unweigerlich aufdrängt. Martin Gore hat sich hier hemmungslos ausgetobt und auf keine Konventionen Rücksicht genommen, wie übrigens auch das Cover im Action-Painting-Stil förmlich schreit. Auf Stringenz wurde dabei nicht geachtet. Das ist so nachvollzieh- wie eben auch hörbar.
5 Kommentare mit 8 Antworten
wie das jemand gut finden kann.... dagegen sind die Frusciante Bulkware Alben Konzepttonträger.
Hmm, wenn wir jetzt ganz ehrlich sind, hat das mit Musik eigentlich gar nicht so viel zu tun, eher mit einer Art Soundkulisse, ein Sammelsurium von Geräuschen. Man muss schon alle - naturgemäß völlig kritikfreien - Depeche-Mode-Fan-Klischees aktivieren, um irgendwas zu hören, mit dem man sich länger als 30 Sekunden befassen will. Auch "Howler" ist nicht mehr oder weniger als ein fast 5-minütiges Geknarze, bei dem einem schon nach ein paar Sekunden der Grund abhanden kommt, das Stück bis zum Schluss durchzuhören. Würde es sich hier nicht um Martin Gore handeln, hätte das niemals irgendwer veröffentlicht, erst recht nicht gäbe es Leute, die sich diese Scheiße auch noch ernsthaft reinziehen. Insofern lotet Mr. Gore tatsächlich Schneisen im wuchernden Dickicht sonstiger Pop-Großtaten völlig neu aus. Will man es positiv sehen, könnte man loben, dass hier wirklich keinerlei kommerzielle Anbiederung auszumachen ist. Umgekehrt könnte man aber auch knallhart zu dem Schluss kommen, dass niemand damit rechnen braucht, mit so einem Müll großartig begeisterte Hörer an Land zu ziehen. Das war ja auch nicht die Absicht von Martin Gore. Insofern ist der Plan voll aufgegangen. Immerhin. Ich gebe zur Orientierung mal einen Stern, denn null gibt's ja nicht.
Ihr Banausen...
Okay, dann sage ich eben, dass sich der künstlerische Ansatz für mich einfach nicht erschließen will. Es liegt an mir.
Ich hab gerade mal "Howler" gehört. Das ist einfach nur erbärmlich. Manche Sounds sind cool, aber da fehlen einfach die Ideen. Der Track sitzt auch exakt im Niemandsland zwischen Struktur und Experiment. Ganz merkwürdig, aber irgendwie auch typisch für Gores Solowerk. Der schiebt zuallererst immer mit dem Hirn an.
Gäbe es von deiner Seite aus einen Vorschlag dazu, welche Alternative Gore zu seinem Hirn wählen sollte? .
Schwierig. Bauch hat er ja auch kaum. Arsch vielleicht.
Kann man sich heute die Counterfeit-EP und LP noch geben? Mochte die damals eigentlich ganz gerne, aber wenn ich die neuen Sachen höre, weiß ich nicht, ob die Sachen von damals auch ohne dicke Fanbrille noch funktionieren.
Die beiden Counterfeit kann man sich auf jedenfall noch anhören. Songs, genauer gesagt Cover Versionen von Klassikern, im Martin Gore typischen Soundgewand.
Aber was weiß ich schon, als totaler DM und Gore Fanboy.
Diese EP hier kann ich mir schon anhören, kommt aber nicht die Counterfeit Sachen ran. Kann verstehen das manche die Chimpanzee EP als unhörbar oder was auch immer einstufen.
@DeusEx
Du fragst gerade andere, ob Dir irgendeine Musik gefällt bzw. gefallen darf?
Ich sag mal so, hör einfach Radio.
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
Mag als DM-Fan die Counterfeit-Sachen eigentlich noch ganz gern. Daher wäre mir von Mart auch ein "Counterfeit 3" lieber gewesen. Diese Instrumental-Sachen der letzten Jahre - ob mit oder ohne Vince Clarke - habe ich noch nie interessant gefunden.
Ganz klar 5 Sterne!!
Viele Grüße
Ein objektiver DM-Fan.