laut.de-Kritik
Londons nächster, starker Soul-Export nach Celeste.
Review von Philipp KauseDer Ton macht die Musik. Über die Relevanz der 24-jährigen Londoner Newcomerin Maya Delilah Shoul für den deutschen Markt mag man streiten, unbestreitbar ist jedoch ihr Talent als Sängerin, zu deren Leitmotiven Dankbarkeit gehört. Das passt zur naheliegendsten Schublade für den nächsten, starken UK-Export leiser Töne nach Celeste: Soul.
Maya Delilahs einmalige Stimme, die Schönheit ihres Albums sind genügend Gründe, um sich mit ihr auseinanderzusetzen. Ob dieser Erstling nun wirklich durch und durch Soul verkörpert, lässt sich hinterfragen. "Maya, Maya, Maya" schlägt den Folksoul-Pfad ein und strebt eher in die Joni Mitchell-Richtung. Seth Tackaberry spielt hier eine bezirzend schöne E-Orgel, ein auf der Insel bekannter, studierter Kontrabassist.
Für den streicherverzierten Singer/Songwriter-Groovy-Dreamfolk "I'll Be Here In The Morning" würde Carole King sicher der Engländerin auf die Schulter klopfen. "Man Of The House" kommt als Lovesong-Pop.
"Actress" und "Look At The State Of Me Now" etablieren Lo-Fi-R'n'B, durchbrochen von versierten Gitarrensoli. "Necklace" und "My Balloon" bleiben derweil ganz still. "Squeeze" tummelt sich zwischen Meshell Ndegeocello und Prince. In diese Richtung will Maya mit ihrer Fender-Gitarre offensichtlich öfter, ins funkrockige Milieu. "Dieses Album ist eine Kombination aus so vielen Teilen von mir", kommentiert die Sängerin, die in demselben Viertel aufwuchs wie Amy Winehouse.
Die Platte erscheint auf einem Jazz-Label, sogar dem Jazz-Label, Blue Note. Passend dazu kleidet sich das Instrumental "Jeffrey" in einen jazzy Vibe. "Ich mochte es schon immer, Jazz zu hören. Deswegen fühle ich mich sehr geehrt, Teil von Blue Note zu sein, das ist toll. Insbesondere für mich als jemand aus London, während sich das Prestige des Labels ja gerade durch die New York- und US-Orientierung auszeichnet."
Der gesamte Klang des Albums mit Ausnahme der Videosingle unterscheidet sich drastisch vom inzwischen Urban-elektronifizierten R'n'B einer Mahalia. Aber eine Jazz-Puristin ist Maya dennoch nicht. Sie selber sagt, sie höre persönlich Hip Hop und Southern Rock.
"The Long Way Round" ist ein Debüt nach einem langen Weg, der im elterlichen Wohnzimmer seinen Anfang nahm. "Ich liebe es, Gitarre zu spielen, seit ich acht bin. Meine Schwester hatte schon Gitarre gespielt, ich hingegen Klavier, hatte aber keinen Spaß daran", erzählt Maya, und so erklärt sich wohl auch das Albumcover. Auf dem Artwork verschwimmen im Vordergrund die schwarz-weißen Tasten, während im Hintergrund, etwas unscheinbar, eine Gitarre lehnt.
"Klavier hatte ich mit Noten und Übungsblättern gelernt und mit Stücken, die ich vorher nicht kannte. Das war wie Folter für mich. Aber für den Gitarrenunterricht bat ich mir aus, nur Lieder zu lernen, die ich kannte und mochte. Und ich eignete mir die Noten durchs Hören an. Das machte mir so viel mehr Spaß. Der erste Song, den ich lernte, war "Hey Jude" von den Beatles."
Doch nicht nur ihr Gitarrenspiel beeindruckt, etwa wenn sie wie Lou Reed in "Walk On The Wild Side" groovt und dann im selben Song zum Blues switcht. Vor allem sind die Lieder herausragend schöne Kompositionen und die Texte mitunter graziös, so im filigran psychologischen "Begin Again".
Die Stimmung der Platte hat etwas ganz Eigenes, Lässiges, Offenes. Sie fühlt sich so gar nicht verpflichtet, irgendeinem Schema Genüge zu tun. Neo-Soul um 2000 hatte beispielsweise oft recht starre, dogmatisch aufgestellte Alben, in denen jeder Song ein Geschwisterchen der Nachbar-Tracks zu sein hatte. Derlei innere Zensur geht Maya ab. "The Long Way Round" fühlt sich frei an.
Und dann wäre da noch diese Stimme. Maya gleitet absolut mühelos durch ihre Lyrics, so, als erzähle sie diese beiläufig einer Freundin am Telefon. Stimmlich diszipliniert, überwindet sie kieksige Höhen, die eigentlich ein bisschen zu hoch für sie scheinen, aber wohl doch ihrem künstlerischen Willen entsprechen. Der Flow, in dem sie intoniert, wirkt wie ein Sog. Teils tupft sie Töne in die Luft. Ihre Vocals fühlen sich weich an, ihr Wesen ganz sanft. Dabei bringt sie eine ganz eigene Couleur mit. Eine tolle Platte.
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