laut.de-Kritik

Der erste Fips-Asmussen-Award des Jahres geht nach Süddeutschland.

Review von

Die gute Nachricht zuerst: "Komet" ist besser geraten als das jüngste Pamphlet der Genre-Kollegen von Ostfront. Von all den Rammstein-Epigonen sind Megaherz ohnehin diejenigen, die am ehesten beim Hörer hängen bleiben. Doch auch wenn sich der germanische Goten-Industrial-Platzhirsch seine Zeit lässt, scheitert die Konkurrenz mit schöner Regelmäßigkeit am Überholvorgang.

So dicht dran, wie Megaherz mit ihrem neuen Album "Komet" war allerdings schon lange keiner mehr. Handwerkliche Fehler kann man den Bajuwaren ohnehin nicht vorwerfen. Der Gitarren-Sound gibt her, was die Effekt-Plug-Ins und Amp-Modeler zu bieten haben. Die Stimme von Sänger Alexander 'Lex' Wohnhaas geht durchaus als charakteristisch durch. Die Tasten-Sounds klingen merkwürdig vertraut, selbst unser hausinterner Running Gag "Ey, trommelt da Schneider?" Zündet wieder - das Schlagzeug erfüllt nahezu den Tatbestand mutwilliger Täuschung. Rein musikalisch gehört Komet demnach in die Abteilung "Wenn das auf einem Festival läuft, bleib ich stehen, trinke was und wippe mit"

Was uns direkt zum Kern der Sache bringt: Natürlich schwebt das große R über jeder einzelnen Komposition, jedem Riff, Rumms und 'Beep'. Aber was will man machen, wenn das Spielfeld dermaßen eng gesteckt ist? Im Gegensatz zu anderen bemühen sich Megaherz wenigstens um den Hauch einer eigenen Identität. Was dann für "Komet" übersetzt bedeutet, mal etwas öfter in weitere Richtungen zu schauen.

"Scherben Bringen Glück" hat eine astreine Pop-Hook der Marke Jupiter Jones oder Revolverheld, "Tiefenrausch" erinnert an vergangene Oomph!-Großtaten. Mit dem seinem verstorbenen Vater gewidmeten "Von Oben" hat Hauptsongwriter Christian 'X-ti' Bystron einen kapitalen Tear-Jerker mit nettem U2-Gitarrenlick geschrieben, hat aber auch die dicken Riffs im Gepäck. Wie in "Horrorclown" oder dem beinahe metallisch-treibenden "Nicht In Meinem Namen". Hier wird mit "Du bist der Abschaum, der sich nach oben spült, der Bandwurm, der sich durchs Braune wühlt" deutlich Stellung bezogen.

Diesbezüglich wesentlich schwieriger ist "Heldengrab", das sich auch anderen Interpretationen öffnet. Textzeilen wie "Ich seh' nur Feigheit und Korruption Statt klarer Wort nur Spott und Hohn" und "Wir schreien nach Freiheit und leben in Ketten" sind das plumpe Equivalent zum Facepalm-Gif. Mit "Es hat sich Etwas aufgebaut Für die Frau, die sich ́was traut" (aus "Trau Dich") geht dann sogar der erste Fips-Asmussen-Award des Jahres nach Süddeutschland. Junge, Junge.

Die hervorragende Produktion kaschiert vielleicht fehlende Originalität, inhaltlich werden hier teilweise verdammt dünne Bretter gebohrt. Provokation als Stilmittel, künstlerische Freiheit und so. Alles richtig. Aber man kann das auch ganz einfach nicht gut finden.

Trackliste

  1. 1. Vorhang Auf
  2. 2. Komet
  3. 3. Scherben Bringen Glück
  4. 4. Horrorclown
  5. 5. Von Oben
  6. 6. Tiefenrausch
  7. 7. Schwarz Oder Weiß
  8. 8. Heldengrab
  9. 9. Nicht In Meinem Namen
  10. 10. Trau Dich
  11. 11. Nicht Genug

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4 Kommentare mit 7 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Die Rezensionen von laut.de langweilen mich. Alles was NDH ist klingt nach Rammstein, egal ob die Band sogar noch vorher gegründet worden ist. Alles was Synthiepop ist klingt nach Depeche Mode.

    Hier wird viel zu wenig differenziert. Das man bei Ost+Front Parallelen zieht, verstehe ich ja noch aber ich finde Megaherz durchaus eigenständig. Die einzigen Ausreißer auf dem Album sind "Scherben bringen Glück", "Von Oben" und "Heldengrab" Da merkt man, dass die Jungs mit Unheilig auf Tour waren.

    • Vor 6 Jahren

      Wie soll man als Redakteur differenzieren, wenn's die Band nicht mal selbst kann? Ausserdem steht im Beitrag ja, dass sich Megaherz um eine eigene Identität bemühen, die Grenzen im NDH-Bereich aber recht eng gesteckt sind. Das ist doch die Crux: Wenn man sich dann hervortraut, endet es oftmals, wie z.B. in den von dir erwähnten Songs, in purer Fremdscham, weil dieser Stil einfach nur bedingt durch allerlei andere Anleihen und noch weniger durch Popmethodik erweitert werden kann. Damit haben sich auch Oomph! schon mehrmals selbst demontiert, ganz gleich ob sie vor oder nach Rammstein gegründet wurden. Letzteres ist sowieso vollkommen irrelevant, schließlich haben Metallica den Thrash Metal auch nicht "erfunden" und trotzdem maßgeblich definiert/beeinflusst. Dass Megaherz vor Rammstein gegründet wurden, hindert die Herren ja nicht daran, sich nach dem immensen Erfolg jener Band in ähnliche Gefilde zu begeben.

    • Vor 6 Jahren

      Naja so eng muss man NDH nicht auslegen. Rammstein zeigten ja wie man sich öffnen kann z.B. in Richtung Blues ("Los") oder Chanson ("Frühling in Paris").

    • Vor 6 Jahren

      Rammstein haben aber auch ein ganz anderes künstlerisches Verständnis als diese ganzen Rohrkrepierer.

    • Vor 6 Jahren

      was du ansprichst, ist doch weniger ein problem der reviews als der tatsächlich sich selbst limitierenden szenen ndh und elektropop.

      die krönung der peinlichkeit im ndh-bereich war doch neulich das pojekt "herren mit hubert kah".

      in synthiepop hingegen bieten tolle ausnahmen wie future islands, moldau oder xul zolar durchaus grund zur hoffnung.

  • Vor 6 Jahren

    "Scherben bringen Glück" oder "Heldengrab" sind immerhin gute griffige Songs, wie man es von der Band gewohnt ist.

    • Vor 6 Jahren

      Ist das dein ernst? Das sind Songs, die ich eher von Unheilig gewohnt bin. Typische Megaherz Songs sind für mich zum Beispiel Trau dich oder Vorhang auf.

      Dennoch interessant, wie unterschiedlich die Lieder aufgenommen werden.

    • Vor 6 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 6 Jahren

      Ja, meine ich ernst. Bei den beiden Songs habe ich nicht an Unheilig gedacht. Auch 5. März, Himmelfahrt, "Miststück" und "Kopf oder Zahl" gefallen mir gut.

      Langweilig wird es für mich nur, wenn es auf dem Album zu stark in eine Richtung geht. Bei diesem Album zu sehr Haudrauf-NDH und beim letzten zu viel Pop. Wenn es nur in eine Richtung geht, muss es schon sehr gut gemacht sein und Seele und Tiefgang besitzen. Ob die Band dieses Potential hat, mögen andere bewerten.

  • Vor 6 Jahren

    gewisse künstler werden hier aus prinzp schlecht bewertet...

  • Vor 6 Jahren

    Also drei Sterne hätten hier schon drin sein sollten, weil es sich hier meiner Meinung nach um das beste Album ohne Alex handelt. Im Vergleich zu den anderen peinlichen NDH-Ablegern verzichten die Kollegen hier nahezu komplett auf plumpe Provokationen und beziehen klare politische Stellung. Mir gefällts