laut.de-Kritik

Es gibt derzeit niemanden, der Vergleichbares macht.

Review von

Ich hatte einen Traum. Als vor einem Monat oder so angekündigt wurde, dass es ein neues Mehnersmoos-Album geben würde, ist mir darin einer von Mehnersmoos begegnet und wir haben uns lange nett unterhalten. Dann hat er mir eine Single vorgespielt, auf der sie auf Jetskis über Putin gerappt haben, und ich hatte diese kristallklare Vision davon, dass die Single übertrieben gut war und ich gezwungen war, ihr Genie anzuerkennen.

Das Album ist da, "Sexy" featuret leider den Putin-Jetski-Song der Weissagung nicht, aber ich muss mich wahrscheinlich für die griesgrämige letzte Review entschuldigen. Nicht, dass das neue Album nicht auch irgendwie beschissen ist. Aber ich muss anerkennen: Mehnersmoos sind wenigstens inspiriert beschissen.

In meiner "Pennergang"-Review habe ich gesagt, die beiden könnten genauso gut 45 Minuten über ihre eigenen Fürze lachen. Und das stimmt weiterhin. Aber wer bin ich, um zu sagen, dass Fürze nicht witzig sind? Der Humor-Papst? Wohl nicht.

Ja, "Sexy" ist unterhaltsam. Allein die Tatsache, dass ihnen die Arschfick-Spits noch nicht ausgegangen sind, dass sie immer noch Lines über Wicküler und Slayer haben, dass sie wirklich nichts anderes machen. Konsequenz ist bewundernswert. Den Antihumor finde ich immer noch bescheuert und die Ästhetik ziemlichen Absturz. Aber es gibt niemanden, der gerade Vergleichbares macht.

Sie sind ein Throwback in die Ära der Post-2010-K.I.Z-Wannabes (aus der Ära kommen sie ursprünglich ja auch) und funktionieren wie eine noch stumpfere und ignorantere Steigerung von den Trailerparks, 257ers und Karate Andis. Aber sie sind auch ein Throwback auf eine Zeit im Deutschrap, als YouTube nicht voll mit Vlogs und Beautygurus war, sondern mit Family Guy-Lustige Momente-Videos, Lord of the Ring-Kiffer-Parodien und xD-Smileys. Einer von beiden MadFred, als wäre der Kerl selbst ein verwaistes Mitglied der Ragecomic-Familie.

Und vielleicht bauen sie gerade deswegen dieser Tage so viel Fahrt auf, weil niemand mehr so rappt. Auch "Sexy" transportiert diesen maximal stumpfen YouTube-Kacke-Humor, der früher auch Teil der K.I.Z.-Brand war, aber der zunehmend unter den Henning May- und Audio88-Features verschüttet wurde. Es ist quasi ein Niko für Leute, denen von Anfang an egal war, ob die Mutter-Ficken-Inzest-Rape-Jokes jetzt subversive Gesellschaftskritik sein sollen oder nicht. Es gibt eben doch noch viel Bedürfnis nach albern-ignorantem Bullshit, nach Battleraps ohne Rücksicht auf Verluste. Im Grunde bedienen sie also Nostalgie nach einer Deutschrapszene, in der noch niemand die Tür der zugefurzten Mancave aufgemacht hat.

Musikalisch steht und fällt "Sexy" entsprechend genauso sehr wie "Pennergang" damit, ob man diesen Humor lustig findet oder nicht. Die Produktionsqualität und die durchgehend immerhin recht energetischen Trap-Beats sind überraschend solide gemacht. Hammer-Rapper sind die beiden nicht, aber sie wissen, wie man Stimmung und Energie aufbaut, außerdem gibt es ein paar musikalisch herausstechende Momente mehr: Der Techno-Drop auf "Milky Way", die parodistische Rocknummer "Halt Dein Maul", die Akusto-Pop-Pastiche "20CM". Handwerklich steckt da mehr Wille drin als in vielen anderen Comedy-Rap-Projekten, und ich ahne, dass das live eine ziemliche Show hergeben könnte.

Inhaltlich kommt es mir vor, als hätten sie ein bisschen die "ich rette Humor vor Carolin Kebekus"-Edgelord-Haltung abgestreift; es wirkt alles weniger wie Stammtisch und mehr nach reinem Absurdismus, geht ein bisschen näher an ihre alten Mixtapes heran, die eigentlich ganz süß waren. Bei allem Beschwichtigen kann ich trotzdem nicht so tun, als würde jede Line sitzen, im Gegenteil. Viele Bars kommen einfach zu platt, zu vorhersehbar und zeigen beim Wiederhören eine winzige Halbwertszeit. Wahrscheinlich ist das dann auch mein Fehler, es nüchtern zu hören, aber es ist mit Humor, wie es ist. Subjektiv, nämlich. Ich rolle über Mehnersmoos verdammt viel meine Augen, aber ist ja auch cool, wenn das jemand hammerlustig findet. Ich hab bestimmt schön wesentlich Dümmeres lustig gefunden, und zumindest Lines wie "Großmutter, bitte weine nicht / Ich kann nichts dafür, dass arbeiten so scheiße ist" find' ich auch gut.

Achje. Ihr merkt, ich ringe mit diesen Typen. Ich hatte erst eine immense Abwehrreaktion (ich finde "Pennergang" auch immer noch deutlich schwerer zu ertragen als "Sexy"), die je nach Song oder je nach Blödheit der Line auch mal schwächer, mal stärker in mir aufflammt. Mehnersmoos sind so ziemlich das genau Gegenteil von der Richtung, die ich mir für Deutschrap wünschen würde. Aber irgendwie beleben sie auch eine Seite der Szene, die man vielleicht nicht ganz wegignorieren darf.

Sie sind der Ausdruck des szene-internen unterbewussten Triebs, ein absolut furchtbarer, unlustiger Hobgoblin zu sein. Und als fellow furchtbarer, unlustiger Hobgoblin darf ich da wohl nicht zu verurteilend sein. Mehnersmoos sind nicht "Parodie", sondern "Verarsche". Sie sind wie einen alten eigenen YouTube-Kommentar mit "deine Mutter xDDD" von vor 12 Jahren unter einem Die Außenseiter-Video finden. Ein 35 Minuten langer Family Guy-Cutaway-Gag. Vielleicht sind sie jetzt nur noch diesen prophezeiten Putin-Jetski-Song davon entfernt, etwas geradezu Gutes zu machen.

Trackliste

  1. 1. 2 Idioten Mit Nem Wicküler
  2. 2. W
  3. 3. Rapsuperstar
  4. 4. Milliardär (feat. Money Boy)
  5. 5. Milky Way (feat. Karate Andi)
  6. 6. Geldregen
  7. 7. Halt Dein Maul (feat. Nico K.I.Z)
  8. 8. Sexy
  9. 9. Nie Wieder Mehnersmoos
  10. 10. Bir
  11. 11. Jeden Tag Frei
  12. 12. Was Los
  13. 13. 20 CM

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LAUT.DE-PORTRÄT Mehnersmoos

Wenn man Mehnersmoos erst seit "Pennergang" oder "Sexy" kennt, würde man nicht unbedingt erwarten, wo das Duo aus dem hessischen Raum angefangen hat.

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