laut.de-Kritik

Die Revolution tanzt mit ihren Kindern.

Review von

"Jede Sekunde, in der ich dort war, hatte ich Angst". Das sagt Michael Franti, der eine Reise nach Bagdad, die besetzten Palästinensergebiete und Israel hinter sich gebracht hat. Franti hatte keinen Bock mehr auf gleichgeschaltete US-Medien, er wollte sich seine Eindrücke über den Krieg und das Einwirken der USA im Irak aus erster Hand besorgen.

Ich persönlich hätte nicht nur jede Sekunde Angst gehabt, sondern jede Milisekunde eine Scheißangst. Wenn unter diesen Eindrücken ein Album entseht, müssten diese Erfahrungen doch eigentlich, der Logik folgend, in einem bedrückenden, düsteren und nachdenklichen Werk münden. Nichts von alledem ist der Fall. Fast schon unbeschwert strickt sich Franti seinen Protest-Kosmos. Funk, Reggae, simpler Poprock sowie einfühlsamer Folk dienen ihm als Mittel, um seine Message unaufdringlich und ohne Gutmenschen-Attitüde ins Ohr des Hörers zu pflanzen.

Die Eingangszeilen "those who start wars never fight them and those who fight wars never like them" bettet er in einen rockenden Offbeat, mit dem das Album eröffnet. Ein rollender Dub-Bass knödelt ein schönes Rhythmus-Fundament, auf dem es sich die Band nach und nach bequem macht. In reggae-esquen Klängen bleiben Spearhead jedoch nicht verhaftet. Der Titeltrack startet mit einem Gitarrenriff durch, dass so auch auf einem Hardrock-Album vetreten sein könnte. Die etwas aggressivere Stimmung passt hier perfekt zu den intonierten Lyrics. Das Anprangern aus dem Opener weicht unverhohlenen Drohungen über kommende Umstürze.

Das fröhliche Genre-Hopping regiert auch in der Folge: "I Know I'm Not Alone", das der gleichnamigen Dokumentation seinen Namen lieh, klingt dank Michaels sonorer Stimme schon fast nach Roachfords Interpretation eines souligen Popsongs. Gemäß der textlichen Aussage kokettiert er anscheinend absichtlich mit dem Massengeschmack, will sich Franti hier doch mit all denen solidarisch zeigen, die sich verarscht fühlen. Verarscht von Lügenmärchen im Nachrichten-Format, von Regierenden, die mit ihrem Volk umspringen, wie es ihnen gerade gefällt. Auch wenn seine Aussagen manchmal ans Plakative heran reichen, gibt er einem kaum das Gefühl, in Bono-Gefilde abzudriften.

Der Mann hat aber nicht nur etwas zu sagen, sondern will auch abfeiern. Das entsprechende Liedgut liefert er selbstredend gleich mit. "East To The West", "Ligh Up Ya Lighter", "Hello Bonjour"? Die Revolution tanzt mit ihren Kindern. Vergesst anderslautende Formulierungen. Franti hat jedoch nicht nur etwas fürs Tanzbein übrig, sondern gibt sich ab und an auch besinnlich, zurück gelehnt und relaxt. Bestes Beispiel hierfür: "Is Love Enough".

Das Allerbeste jedoch kommt beim Blick aufs Cover. Dort prangt ein Sticker: "Recorded in Kingston, Jamaica and San Francisco, CA". Was ne Meldung, stimmt schon. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass Michael Franti für "Yell Fire!" einen gewissen Herrn mit dem Pseudonym Gentleman ("Is Love Enough") und Frau Alecia Moore aka Pink ("One Step Closer To You") gewinnen konnte, gleicht das, was jetzt auf der Platte prangt, einem mittelschweren Anfall von Understatement. Ganz nebenbei spielen auch noch Sly Dunbar und Robbie Shakespear bei einigen Tracks mit. Andere würden mit diesem Pfund sicherlich wuchern, nicht so Michael Franti. Tillmann Otto taucht lediglich in der Trackliste auf, Pink sowie Sly And Robbie im Booklet versteckt unter 'Other Musicians'. Michael Franti und Spearhead: Musiker aus Leidenschaft? Es hat ganz den Anschein.

Trackliste

  1. 1. Time To Go Home
  2. 2. Yell Fire
  3. 3. I Know I'm Not Alone
  4. 4. East To The West
  5. 5. Sweet Little Lies
  6. 6. Hello Bonjour
  7. 7. One Step Closer To You (Feat. Pink)
  8. 8. Hey Now Now
  9. 9. Everybody On The Move
  10. 10. See You In The Light
  11. 11. Light Up Ya Lighter
  12. 12. What I've Seen
  13. 13. Tolerance
  14. 14. Is Love Enough? (Feat. Gentleman)

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