laut.de-Kritik
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen ...
Review von Alexander CordasMichael Franti die zweite. Neben der neuen Spearhead-Scheibe "Yell Fire!" wirft der umtriebige Musiker auch einen Film auf den Markt, der bei der Reise entstand, die ihn zu seinem musikalischen Output inspiriert hat. Und wenn einer eine Reise tut, dann kann er viel erzählen.
Franti bannte, was er erlebt hat, auf Band. Von Bagdad ging es in Richtung der besetzten Palästinensergebiete und von dort aus nach Israel. Die Geschichte dieser Reise beginnt mit der Ansprache des Piloten, der Franti und seine Begleiter von der jordanischen Hauptstadt Amman nach Bagdad fliegt. Mit einem Lächeln im Gesicht erklärt dieser die Modalitäten des Flugs.
Das klingt dann gleich noch weniger romantisch: Er kündigt über Bagdad einen Sturzflug aus 4.500 Metern Höhe an, da sich das als äußerst Effektiv gegen Panzerfaust- und sonstige Angriffe vom Boden aus herausgestellt hat. Der Sturzflug kann - wegen des Kabinendrucks - zu Problemen mit den Ohren führen. Normalerweise würde diese Ankündigung eine Stille in der Passagierkabine herbei führen. Sollte man meinen. Franti und seine Begleiter brechen ob dieser Nachrichten jedoch in lauten Jubel aus. Komplett verrückt, die Typen.
Den Sinn hinter diesem Himmelfahrtskommando liefert Franti gleich hinterher. Aus den Nachrichten hörte er immer wieder von den wirtschaftlichen und politischen Folgekosten der Konflikte in der Region im Nahen Osten. Ihm war es ein Anliegen, zu schauen, wie es denn mit den Menschen vor Ort aussieht. Wie geht es denen, die unmittelbar vom Krieg im Irak sowie dem Kampf zwischen Israelis und militanten Palästinensern betroffen sind?
Michael Franti geht es nicht darum, die bewaffneten Auseinandersetzungen in ihrem Sinn zu ergründen, Schuldfragen aufzuklären oder simple Lösungen anzubieten. Genau das macht den Film auch so bewegend. Vielmehr sucht er das Gespräch mit allen, die ihm etwas zu erzählen haben und die aufgeschlossen seinen Fragen lauschen. Um es gleich richtig zu stellen: Diejenigen, die 'investigative' Filmemacherei im Stile eines Michael Moore erwarten, dürfen den Gedanken an die Anschaffung dieser DVD getrost verwerfen. Kein Bush-Bashing im großen Stil, keine Verschwörungstheorien. Nein, auch der CIA taucht hier nicht auf.
Das Konzept - sofern es überhaupt eines gegeben hat - ist so einfach wie einleuchtend. Was macht ein Musiker, der davon überzeugt ist, dass hinter den von den Medien kolportierten Geschichten auch noch eine andere Wahrheit steckt? Vielleicht schnappt er einfach seine Gitarre und zieht los? Sicuramente. Genau das tut er denn auch und mischt sich fleißig unters Volk. Parteilichkeit bei der Auswahl seiner Gesprächspartner darf man ihm dabei nicht vorwerfen. Die irakische Death Metal-Band kommt hier genauso zu Wort wie die palästinensischen und israelischen Hip Hopper oder der amerikanische Soldat, der sich nach der Heimat sehnt. Bei den Aufnahmen für diesen Dokumentarfilm bewegt er sich wahrlich nicht auf der sicheren Seite. Gerade als er mit einer US-Patrouille redet, explodiert in unmittelbarer Nähe eine Bombe. Danke fürs Gespräch.
Ironie des Schicksals, dass Frantis Film seit den Angriffen Israels im Libanon aktueller denn je ist. Die Schicksale der einfachen Leute dort dürfte mit dem der gezeigten Irakis/Palästinenser überein stimmen. Und dass in Israel nicht die gesamt Bevölkerung 'hurra' schreit, wenn wieder einmal die Panzer los ziehen, sollte ebenfalls klar sein.
Michael Franti heimste mit "I Know I'm Not Alone" nicht umsonst ein Dutzend Filmpreise ein. Eindringlich und aufwühlend zeigt sein Streifen die ganze Palette von emotionalen Höhen und Tiefen auf, durch die ein Mensch gehen kann, wenn er sich mit den diversen Hirnrissigkeiten des Krieges konfrontiert sieht. Der Hilflosigkeit gegenüber dem bewaffneten Konflikt setzt er seine Hoffnung entgegen, dass es dereinst auch anders aussehen kann. Gemäß seinem Motto: Er weiß, dass er damit nicht alleine dasteht.
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