laut.de-Kritik
Danke für dieses letzte Geschenk.
Review von Sven KabelitzEigentlich hätte hier ein anderer Text stehen sollen. Seit über zwei Monaten liegt "Tears Of The World" auf meinem Tisch und wartet auf seine Veröffentlichung. Zwei Monate, in denen sich etwas Entscheidendes verändert hat: Am 15. Juni starb mit Mighty Sam McClain einer der beiden Hauptdarsteller des Albums.
Stilistisch fällt "Tears Of The World" stark aus dem Rahmen des ACT-Labels, das sich meist um Jazz kümmert. Gemeinsam graben Sam McClain und Knut Reiersrud ihre Wurzeln tief in den Blues und Soul. Der Norweger Reiersrud und seine Band bieten dem in Louisiana geborenen Sänger ein kerniges Umfeld für seine basslastige, vom Leben gekennzeichnete Stimme. Die besaß zwar das Potenzial, zu den Großen aufzuschließen, wurde aber all zu oft sträflich übersehen.
Wie gut das Team funktioniert, lässt sich alleine schon daran erkennen, was die beiden aus dem altbackenen Doris Day-Schmachtfetzen "Que Sera, Sera" heraus kitzeln. Aus dem einst niedlichen Arrangement erwächst ein dunkler Blues, der nie das unangenehme Gefühl einer anschmeichelnden Cover-Version in sich trägt. David Wallumrøds knochentrockene Hammond Orgel, Andreas Byes knorriges Schlagzeugspiel und Reiersruds Gitarre bereiten das Stück auf, als sei es allein für McClains Abschied geschrieben worden.
An Albert King gemahnende Gitarrenlicks leiten den Killer-Blues-Funk "Things Ain't What They Used To Be" ein, der mit seiner kratzigen Seele zu den spannendsten Stücken der Platte zählt. Der hitzige Opener "Tears Of The World" muss sich hinter aktuellen Daptone-Produktionen nicht einmal im Ansatz verstecken.
Reiersruds Band legt für McClain das Fundament, das für Charles Bradley die Menahan Street Band und für Lee Fields die Expressions erzeugen. Nur, dass die Tiefwurzler McClain und Reiersrud noch eingehender graben.
Die Ereignisse legen den Fokus klar auf McClain, doch Reiersruds Arrangements, sein Gitarrenspiel und die immer wieder herzzerreißende Mundharmonika ("Too Proud", "Jewels") runden den Longplayer ab. Nur am Mikro bleibt er in "Que Sera, Sera" deutlich unterlegen.
"Ich habe mit Sängern aus jeder Ecke des Planeten aufgenommen, aber diese Tiefe und Intensität kann niemand außer ihm erzielen", schwärmte Reiersrud nach den Aufnahmen von McClain. Nun ist diese Stimme für immer verstummt. Mit "Tears Of The World" bleibt ein Vermächtnis, wie es überzeugender kaum ausfallen konnte. Danke für dieses letzte Geschenk. Danke, dass du da warst, Mighty Sam McClain.
Noch keine Kommentare