laut.de-Kritik
Sarkastisch, sozialkritisch, altersweise: Randy Newman lässt grüßen.
Review von Giuliano BenassiDen Sänger und Pianisten bringt nichts so schnell aus der Fassung. Immerhin gilt er als William Faulkner des Jazz, hat an die 40 Alben veröffentlicht und kann sich darüber freuen, dass The Clash auf "Sandinista" seinen Song "Look Here" gecovert haben, Van Morrison ein ganzes Album mit seinen Stücken aufnahm und die Pixies einen Song nach ihm benannten.
2010, bei der Veröffentlichung des vorliegenden Albums, ist Allison 82 Jahre alt. Um ihn nach einem Dutzend Jahre verdienten Platten-Ruhestandes wieder ins Studio zu bewegen, waren zwei Dinge notwendig: Ein Kultlabel wie ANTI (u. a. Tom Waits) und ein hartnäckiger Produzent wie Joe Henry, der zwar Madonnas Schwager ist, kommerziellen Pop aber ablehnt und in verschrobenen Singer/Songwriter-Gefilden seine Arbeit verrichtet.
Henrys größter Verdienst: Eine Atmosphäre geschafft zu haben, in der sich Allison mit seiner mittlerweile beschränkten Stimme wohl fühlt. Das ist ihm mit einer Begleitung gelungen, die die Tücken des Alters mit Klavier, walking Bass und geshuffeltem Schlagzeug übertüncht. Alle Stücke bieten gut gelaunten Jazz-Blues, der keine Ambitionen hat, neue Klangufer zu erkunden, sondern einfach nur entspannt klingt.
Was die Stimme nicht mehr vermag, macht Allison mit seinen Texten wett. "My brain is always ticking, as long as I'm alive and kicking. My brain, cool little cluster that's my brain”, macht Allison gleich zu Beginn deutlich. "Mir ist klar, dass du mir nicht die Kehle aufschlitzen wolltest. Du und deine Kumpels wolltet nur ein bisschen Spaß haben", frotzelt er im zweiten Stück. "Everybody thinks you're an angel, but you're a devil, you can't fool me", schmeichelt er in Lied Nummer drei ins Mikro.
Die schönste Szene skizziert er in "Modest Proposal", das kaum zufällig denselben Titel trägt wie Jonathan Swifts sarkastisches Pamphlet, in dem der irische Autor 1729 einen originellen Vorschlag zur Lösung einer Hungerkatastrophe auf seiner Heimatinsel machte. "Lasst und Gott in den Urlaub schicken. Nach all den Anstrengungen dürfte er müde sein. Stets muss er die Verantwortung übernehmen und 24 Stunden am Tag zur Verfügung stehen. Hat er uns nicht mit Vernunft versehen? Lasst ihn uns in Urlaub schicken und uns endlich vernünftig verhalten", fordert Allison auf.
Mit einem Schmunzeln, natürlich, denn die Welt läuft, wie sie läuft. "Some have religion, some have guns ", erklärt er in "Some Right, Some Wrong". Doch auch der Einzelne darf nicht zu kurz kommen. "I ate a döner, had a few drinks, no matter what you think baby, I didn't miss a thing. I'm alright without you", stellt er im vorletzten Stück klar. Und verabschiedet sich dann im Duett mit seiner Tochter Amy.
Gelassen, sarkastisch, sozialkritisch, altersweise: In dieser Hinsicht erinnert Allison an Randy Newman. Ein gelungenes Album aus dem Studio-Ruhestand, das sein Lebenswerk noch einmal mit einem Ausrufezeichen versetzt.
1 Kommentar
Geiler Typ, super Platte, besser geht's nicht. 5/5