laut.de-Kritik
Härter und fokussierter in Runde zwei.
Review von Paula FetzerNach dem Überraschungsstart mit ihrem selbstbetitelten Albums geht das von Aydo Abay, Aren Emirze und Thomas Götz gestartete Noise-Rock-Projekt Musa Dagh in die nächste Runde. Diesmal sitzt Sascha Madsen am Schlagzeug, Beatsteaks-Drummer Götz meldete sich vorzeitig aufgrund anderer Verpflichtungen ab. Einige der Drum-Parts auf dem neuen Longplayer stammen noch von ihm, eingetrommelt hat es dann aber der Madsen-Schlagzeuger. Wie die Band sagte, sei es ein "extrem harmonischer und unkomplizierter" Wechsel gewesen.
Die Single "Rhythm Pigs (A.F.M.D.)" ist der erste Hinweis darauf, dass es auf der neuen Platte härter als zuvor zugeht. Sofort lässt Emirze ein schrilles Riff los, das wie eine Abwandlung dessen aus "Assassin" (Muse) klingt. Dazu haut Madsen kräftig auf das Schlagzeug ein und Abay komplettiert die Energie mit Texten wie "I'm signing petitions 'cause I'm upset / This revolution is starting from my bed". Wie oft von ihnen gezeigt, entwickeln sie nach der Eingewöhnung in die erste Songhälfte ein völlig neuer Teil, der nahtlos in den vorherigen übergeht. Zusammen mit der Gitarre verlangsamt sich der Gesang, der am Ende seiner "I love you, I love you, I love you, I do"-Rufe zu einer Darth Vader-ähnlichen Tonlage runtergepitcht wird. Ein Instrumental mit viel Beckeneinsatz bringt das Lied schließlich zu Ende. An Ideenreichtum und Mut zu Experimenten mangelt es Musa Dagh eindeutig nicht.
Ganz ohne Beatsteaks muss das Album dann doch nicht auskommen: "Weekend Warrior" hat Gitarrist Bernd Kurtzke als Feature gelistet. Dass sich Musa Dagh laut Promotext "einer Metal-Ästhetik bemächtigen", zeigt sich auch auf diesem Song. Trotz lediglich zwei Minuten Spielzeit bringen sie eine Menge unter. Gleich zu Beginn begrüßt den Hörer ein hartes und dynamisches Zusammenspiel aus E-Gitarre und Drums. Kurtzke schreit einige Lines ins Mikro, bevor die hitzige Stimmung abkühlt und Abay den Gesang übernimmt. Als Kontrast folgt gegen Ende wieder der erste Baustein, den sie durch eine sich aufbauende Gitarre an den Mittelteil anschließen. "Time to kill", heißt es zum Schluss - wie die Gruppe schon in "Rhythm Pigs (A.F.M.D.)" äußert, ist sie bereit für die Revolution.
Etwas gezügelter präsentiert sich das Trio im Vergleich dazu auf dem Titeltrack, dem sie noch ein kurzes Gitarrensolo spendieren, das unter den darübergelegten Spuren aber etwas untergeht. Mit "Algorithm & Alcohol" geht es im Anschluss rasant weiter. Nachdem Riff und Drums das im Intro vorgelegte Tempo drosseln und sich gemeinsam mit Abays Stimme behäbig fortbewegen, machen sie daraufhin schussartig weiter.
Ganz anders geht es auf "0200 Hours" zu. Die schwermütige Ballade, die es kurz vor knapp noch auf die LP schaffte, erinnert an The Smashing Pumpkins. Musa Dagh gönnen sich und den Hörern eine kurze Verschnaufpause: Statt Gitarrengewalt und hämmerndem Schlagzeug entscheiden sie sich für Akustikgitarre, Melotron und punktuellen Einsatz der Pauke. Der Fokus im "melancholischen Ruhepol", wie die Band den Song treffend charakterisiert, liegt damit auf Abays Texten. In diesen wirft er einen Blick in die trostlose Zukunft: "Painkillers mute / And make me feel better / The future ain't good / Tomorrow is not on the calendar", singt er.
Lange wird nicht Trübsal geblasen und Rast gemacht. Auf "Congaah" wendet sich die Formation erneut purem Noise-Rock zu. Die E-Gitarre wirkt mit ihrem Effekt erst futuristisch, als sie dann abgehackt einzelne Töne abfeuert, klingt sie wieder durchdringend wie in "Rhythm Pigs (A.F.M.D.)". Nach der Passage verstummen die Instrumente und nur Abay ist noch zu hören, der ruhigere Töne anstimmt und die Silben im Gesang langzieht. Schlagartig ändert sich die Stimmung ein weiteres Mal und er ruft in nüchterner Betrachtung die verschiedenen Lebensabschnitte ("Death / Work / School / Birth") immer energischer aus. Von Langeweile kann nicht die Rede sein, es macht beim Anhören Spaß, abermals überrascht zu werden.
Man merkt dem Album an, dass Musa Dagh genau wussten, was sie wollten, und es konsequent umsetzten. Der härtere Ansatz zieht sich durch das ganze Werk, nur "0200 Hours" bricht aus dem Schema aus, bietet dabei aber eine willkommene Abwechslung. So gut, wie es sich für die Band vermutlich angefühlt hat, ihren ganzen Frust rauszulassen, hört es sich auch an. "No Future" steht seinem Vorgänger in nichts nach.
5 Kommentare
Starke Band, gute Platte. Ich wünschte, die würden mal hier in London vorbeischauen.
Neu für mich. Mal kurz gebrainstormed: Mars Gizzard Of A Down. Hat was, wird öfter laufen...!!!
Die waren natürlich auch schon mit dem Vorgänger deutlich mehr als bloß die Summe ihrer Teile, aber da mir in der Vergangenheit Harmful stets ein Stück näher kamen als Blackmail gefällt mir dieses hier vermeintlich von Aren eingebrachte Übergewicht in der krachig-härteren Waagschale so gut, dass ich den Zweitling nach 1,5 Durchläufen tatsächlich oberhalb des Debüts ansiedeln würde, was mir echt erstaunlich selten so mit Newcomern oder Neuentdeckungen geht.
Hatte mir das Debüt wegen des Hypes darum damals blind gekauft (mache ich gerne mal) und fand es unglaublich langweilig. Habe es wirklich häufig gehört und erinnere mich an absolut nichts.
Außerdem finde ich Aydo Abay ziemlich nervig, sowohl als Sänger wie auch als Person.
Wow, wummst tatsächlich ganz gut, das Teil.
Und ich wäre glücklich, wenn die Smashing Pumpkins in den letzten Jahren einen Song wie 0200 Hours veröffentlicht hätten…