laut.de-Kritik

Alt wird jeder Esel.

Review von

Auf Nenas achtzehntem Album wächst zusammen, was schnellstmöglichst getrennt gehört. Als Produzenten nimmt sie Samy Deluxe, ehemals einer der besten Rapper des Landes, mit an Bord. Fünfzehn Jahre zu spät.

Mit seiner "Männlich"-Trilogie ("Perlen Vor Die Säue", "Männlich", "Gute Alte Zeit") hat Herr Sorge tief im Bodensatz des deutschen Hip Hops gegründelt. Bei den drei Longplayern von Monsieur Penis kam einem das Essen so oft wieder hoch, dass er ernsthaft darüber nachdenken sollte, sich ab sofort Samy Reflux zu nennen.

Eine These und grundlegende Aussage ihrer aktuellen Songs verbindet Frau Kerner mit Herrn Deluxe jedoch: Früher war alles besser! Dieser Standpunkt, der mehr über die ihn äußernde Person als über die Gegenwart aussagt, findet sich in den letzten Werken der beiden immer wieder.

Nun ist Nena nach ihrer Zusammenarbeit mit Westbam also bereits zum zweiten Mal "Oldschool", Baby. Dabei wusste schon mein Vater, dass jeder Esel alt werden kann. Trotzdem feiert sich unser NDW-Star zu pluckernden 80er-Videospiele-Sounds mit einer hanswurstigen "Ich hab' den Längsten"-Attitude munter selbst. "Mein erstes Album ist seit 34 Jahren draußen / Es ist so alt, man kann's nicht einmal mehr im Laden kaufen."

"Lieder Von Früher" beackert als blasswangiger Abklatsch die gleiche Strategie wie Adel Tawils "Lieder". Los, ihr alten Säcke, lasst euch nicht so hängen und wackelt munter mit dem Po! Die vorhersehbare Kalkulation dieses hölzernen rip-offs geht deftig nach hinten los. "Manchmal hol ich meine alten Platten aus 'm Schrank / Und ich tanz die ganze Nacht / Zu dem Rock n Roll und Funk / Tanz im Licht vom Strobo / Quer durch unsere Wohnung." Staubiger kann sich wohl nur noch Mr. Hallöchen Popöchen ausdrücken.

Mit dem mit ihrem Sohn Sakias eingesungenen "Peter Pan" und "Genau Jetzt" versucht sich unsere tapfere Heldin als Miss Platnum auf Valium. Dabei war die Vorlage auf "Glück Und Benzin" zuletzt schon alles andere als ein munterer Springinsfeld. Sich selbst versteckt Nena hinter Phrasen. "Was morgen kommt, weiß keiner." Ach was. "Ein Moment / zwei Personen / eine Seele / ein Herz / zwei Personen / ein Moment / zwei Meinungen / ein Ende", holpert sie im weiteren Verlauf zusammen. Eine Muh, eine Mäh, eine Täterätätä.

"Montag flogen wir zum Mond / Dienstag hat' ich Dienst / Mittwoch war ich wieder mitten drin / Mit dir im Paradies / Als es Donnerstag gedonnert hat, konnten wir uns nicht sehn / Freitag wolltest du 'nen freien Tag / Und das wollte ich nicht verstehen", gibt sie im schrecklich phlegmatischen "Jeden Tag" das Sams. Nenas "Magie" bietet abgedroschene 80er-Oktavenhüpferei und klingt aus ihrem Munde wie Product-Placement. "Ich Maggi Maggi mag deine Maggi." Bitte? Sollte sie in nächster Zeit in Singen halt machen, dürfte sie dafür wohl wie die Fußball-Weltmeister von 1954 einen Geschenkkorb überreicht bekommen.

Im blechern funkenden "Betonblock" gibt sie sich so authentisch wie einst Phil Collins in "Another Day In Paradise" als Marzahn-Versteher. "Große Mauern / Kleine Chancen / Arme Bettler / Reiche Bonzen / ... / Wir leben in 'nem Block aus Beton / Und keiner hier weiß wirklich warum." Dem ehemaligen "Voice Of Germany"-Jurymitglied nehme ich diese Thematik nicht mal im Ansatz ab.

Den Vogel schießt Nena jedoch mit dem zickig punkigen "Berufsjugendlich" ab. "Bitte sei doch mal nicht so berufsjugendlich / Die Leute nehmen das nicht ernst / Und es wird Zeit dass du es lernst." Dabei vergisst die Sängerin, dass auch das normale Fußvolk und nicht nur voll verrückte Musiker mit 54 Spaß am Leben haben. Selbst unter den Falten der ältesten Menschen steckt noch das jugendliche Ich. "Drinking, smoking cigs and sniffing glue". Aber anstatt als Role Model voraus zu schreiten, bedient sie den üblichen Jugendwahn. Passend dazu präsentiert sie sich auf dem Cover als weiterere von Photoshop glattgebügelte Fiktion. Dabei verät sie mehr über ihre negative Einstellung zum Altern, als sie denkt. Laut ihrem Text trägt man in ihrem Alter nämlich Perlenketten, braucht Krückstöcke, ist schlecht drauf, lächelt möglichst nie, hört niemals laut Musik und geht nicht in Diskos.

In der Ballade "Bruder" lässt Nena ein einziges Mal einen Blick hinter ihre ewige Fassade zu. Ich bin ein Mädchen, das nah am Wasser gebaut ist, und mit der Erinnerungen an ihren behinderten Sohn, der 1989 mit gerade einmal elf Monaten verstarb und dieses Jahr 27 geworden wäre, erwischt sie mich volle Breitseite. Sicher wurden ähnliche Schicksale schon lyrisch ausgefeilter und musikalisch interessanter dargeboten, aber für einen Moment ist die Sängerin echt, ganz bei sich und weckt auf diese Weise ehrliche Emotionen.

Bis auf einige Modernisierungen liefert Nena mit "Oldschool" genau jenes massentaugliche Produkt, das ihr Zielpublikum von ihr erwartet. Ein Album, das zum Konsumieren, nicht zum Hören und erst recht nicht für eine nähere Begutachtung zusammengeschraubt wurde. Samy Deluxe hingegen kennt weiterhin kein Halten und testet erfolgreich aus, wie tief er noch sinken kann.

Trackliste

  1. 1. Oldschool
  2. 2. Lieder Von Früher
  3. 3. Genau Jetzt
  4. 4. Ja Das Wars
  5. 5. Betonblock
  6. 6. Berufsjugendlich
  7. 7. Sonnemond
  8. 8. Jeden Tag
  9. 9. Magie
  10. 10. Kreis
  11. 11. Peter Pan
  12. 12. Bruder
  13. 13. Schicksal

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40 Kommentare mit 135 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Warum schreibt jemand, dem man nach dem dritten Satz schon anmerken kann, dass er den Künstler nicht mag, eine Rezension??? Fällt mir immer häufiger auf, dass hier im Prinzip nicht rezensiert sondern nur platt abgewatscht wird. Schade. Dabei geht es nicht um die negative Rezension an sich. Ein schlechtes Album ist ein schlechtes Album und bleibt ein schlechtes Album. Aber den Fans vorzuwerfen, sie "konsumierten" bloß und "hörten nicht" zu ist eine Frechheit.
    Ich werde mir das Album jetzt erst recht ein paar Tage in verschiedenen Stimmungen anhören. Vielleicht gefällt es mir, vielleicht nicht. Aber dann habe ich mich wenigstens damit intensiv beschäftigt und ZUGEHÖRT (!), was ich ja laut Herrn Kabelitz nicht könnte.

    Gruß

  • Vor 9 Jahren

    mir gefällts - ganz einfach!

  • Vor 8 Jahren

    Tolles Album. Mit Sicherheit interessanter als dieses ganze langweilige Einerlei von 95% aller deutschen Sänger/innen und Bands heutzutage mit ihrem pseudointellektuellen Gelaber. So seh ich das.