Einfach nur 'Kreisch' und Entertainment pur: Der britische Popstar in bester Plauderlaune in der Waldbühne.
Berlin (jas) - Eigentlich hätte Robbie Williams schon am Montagabend sein erstes von zwei Konzerten in Berlin spielen sollen, der Gig wurde aufgrund von Unwetterwarnung aber verschoben. Gewitter und Starkregen blieben dann zwar glücklicherweise aus, aber Sicherheit geht eben vor. Immerhin stand man nun gestern nicht im Matsch herum, sondern saß etwas bedröppelt mit Regenjacke auf den harten Bänken der Waldbühne.
Der Supportact The Lottery Winners, eine Gitarrenband aus der Nähe von Manchester, versuchte schon mal einzuheizen, was nur leidlich gelang: Die Gags von Sänger Thom Rylance ... puh, auch schon wieder vergessen. Robbie scheint manchmal einen komischen Geschmack zu haben.
Wie auch immer, als er endlich die Bühne betritt, fängt es natürlich zu regnen an. Aber hey, Robbie schafft es immer wieder aus dem Stand für gute Laune zu sorgen. Und Überraschung, er startet mal nicht mit "Let Me Entertain You": Sein brandneuer Song "Rocket" vom im Herbst erscheinenden Album "Britpop" eröffnet das Event und sorgt für etwas Abwechslung im durchgeplanten Ablauf.
"Your ass is mine"
Kooppartner Tony Iommi von Black Sabbath stand natürlich nicht mit auf der Bühne. Hätte Robbie zu diesem Zeitpunkt schon gewusst, dass der Urvater des Heavy Metal Ozzy Osbourne gestorben ist, dann hätte er ihm dieses Stück wohl sicher gewidmet. "Rocket" passt jedenfalls als Opener und macht dem nassen Publikum ordentlich Dampf. Natürlich fehlt Robbies Parole nicht: "My name is Robbie Williams, this is my band and for the next two hours your ass is mine!"
Das wars dann aber schon mit 'neuem Programm'. Okay, nicht ganz. Es folgen noch ein paar musikalische Überraschungen, so entpuppt sich der zweite neue Song "Spies" als neue Robbie Williams-Mitfühl-Hymne. Prompt gehen alle Handylichter an, Robbie freut sich sichtlich, dass der neue Tracks so gut ankommt, weil: "Eigentlich will man ja immer nur die alten Hits hören", erzählt er. Und ist mal wieder in (extremer) Plauderstimmung. Der Popstar kommuniziert gerne mit seinem Publikum. Gut gelaunt ist er an diesem Abend eh: "Hast du mich vermisst, Berlin?". Klar, aber dieses Redebedürfnis?
Ein Clown zum Frühstück?
In der ersten Hälfte des Konzerts ist das alles sehr unterhaltsam, aber irgendwann wird es dann etwas too much. Natürlich kennt Fan nach über zehn besuchten Kreisch-Konzerten seit Ende der 90er bereits manche Anekdote, aber diesmal scheint es so, als habe Robbie einen Clown gefrühstückt. Es ist fast schon wie Comedy, wenn er die Mädels auf der Treppe mit den rosa Capes anspricht, weil diese zu spät seien und singt kurz vor, was sie verpasst haben: "Rocket", "Let Me Entertain You" ... "Angels", winkt ihnen zu und tut so, als würde er die Bühne verlassen: Tschüss, Thank you und auf Wiedersehen. Das sorgt für viel Gelächter im Publikum.
Auch ist es lustig, wenn Robbie das Publikum dazu auffordert, die erste Strophe seines rosaroten Radio-Hits "Candy" zu singen, dieses zeigt sich aber alles andere als textsicher. Lenkt er etwa selbst von Textlücken ab? Denn manchmal singt Robbie gar nicht mehr weiter, seine Sänger:innen übernehmen und er kommentiert flotten Sprüchen. Bei "Strong" quatscht er etwa in Richtung Fans dazwischen: "Ihr müsst jetzt den hohen Ton singen. Ich kann das nicht mehr." Und diese lassen sich auch nicht lange bitten. Robbie veräppelt sein Publikum gerne, aber auch immer wieder sich selbst.
"Wir sind hier nicht bei Coldplay"
Doch nicht nur die Fans bekommen ihr Fett ab. Auch Coldplay, Oasis und natürlich Gary Barlow von Take That nimmt er zwischendurch aufs Korn. Als bei "Supreme" die ersten Handylichter angehen, unterbricht er den Song: "Macht bitte die Lichter aus, wir sind hier nicht bei Coldplay."
Als der The Lottery Winners-Sänger erneut mit Gitarre auf die Bühne kommt, gibt es noch ein paar akustische Momente: das zu selten gespielte "Sexed Up", "Better Man" und der Take That-Klassiker "Relight My Fire". Und hier trifft Robbie noch die richtigen Töne. Zudem hört man an diesem Abend zahlreiche Coverversionen. Beim Warmup-Medley und der Bandvorstellung werden kurz Songs wie Song 2 (Blur), Living On A Prayer (Bon Jovi), One Step Beyond (Madness), Sweet Dreams – Are Made Of This (Eurythmics) und Y.M.C.A. (Village People) angespielt.
Der Himmel erstrahlt
Vor "Rock DJ" erzählt der Entertainer dann, dass er nicht für Ruhm oder Geld antrete. Er mache dies für seine vier Kinder. Kurze Pause: "Damit sie bald aus dem Haus sind." Die Lacher hat er direkt auf seiner Seite. "Gebt es zu, dass wünscht ihr euch doch manchmal auch, oder?" Emotional wird er dann aber trotzdem, spricht er über seine Familie und seine Frau Ayda. Ohne seine Kids wäre er heute wohl nicht mehr am Leben, betont Rob immer wieder und widmet ihnen I Love My Life.
Für noch mehr Mitgefühl sorgen seine Erzählungen über weitere Familienangehörige: So leidet seine Mutter an Demenz, sein Vater an Parkinson und die geliebte Schwiegermama kämpft gegen Krebs und Demenz. Schwierige Zeiten, auch für einen Popstar. "Millenium" läutet dann das große Finale ein. Während des Songs verschwindet Robbie hinter der Bühne. Outfit-check! Danach erscheint er Pretty in pink mit langer Federboa und der graue Himmel über Berlin erstrahlt im pompösen Hollywood-Scheinwerferlicht. Mr. Williams huldigt seinem Lieblingsstar Mr. Frank Sinatra mit einer glamourösen "New York New York"-Version. Hier hält er den Ton lange an und zeigt: Er ist noch immer da! Trotz seines immer wieder erwähnten Alters bzw. seiner mentalen Probleme.
"Ihr Motherfuckers"
Sein "Alles fit im Schritt", lässt er heute zum Glück stecken, dafür ist sein liebster deutscher Satz heute: "Ich liebe eusch, ihr Motherfuckers." Die Sänger:innen und Tänzer:innen tummeln sich zu "Kids" auf der Bühne. Der übliche Smalltalk mit den Damen in der ersten Reihe fehlt natürlich nicht: Diesmal war Sarah aus Hamburg die Auserwählte für das ganz persönliche Ständchen des Lovesongs "She's The One". Robbie bleibt eben konsequent charmant und seinem Motto treu: 'The same procedure as every year, Rob?!'
Am Ende fehlen natürlich auch "Feel" und "Angels" nicht, und ja, an diesen beiden Pop-Balladen kann man sich nicht satt hören: Bei "Angels" kommt Gänsehaut-Stimmung pur auf, wirklich alle stehen, singen mit und liegen sich in den Armen. Das Special-Konzert zu Beginn des Jahres in Köln hat vielleicht für mehr Euphorie gesorgt. Aber, diese zwei Stunden Entertainment waren einfach nur Kreisch!
Text: Jasmin Lütz. Fotos: Rainer Keuenhof.
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