laut.de-Kritik

Sci-Fi-Synth-Folk-Pop eines Bon Iver-Androiden.

Review von

Nano-Nano. Ein silbern angestrichenes Männlein steht nackig im Walde, scheut den Blick vor seinen Zuhörern. Mit verfremdeter, mehrfach übereinander gelegter Stimme singt es zu Sci-Fi-Synth-Folk-Pop-Songs von Liebe. Befremdlich, als hätte der Data-Schöpfer Dr. Noonien Soong aus "Star Trek: The Next Generation" seinen eigenen Bon Iver-Androiden erschaffen. Auf der Suche nach seinem Emotionschip fallen die ersten Beobachtungen naiv und ungelenk aus. Sagt, wer mag das Männlein sein, das da steht im Wald allein?

"I'd like to invite you / for just a little while / to the place I used to go / when I was only 17 / back to the place that I once knew." Entrückt spricht Dave Hartley, der Kopf hinter Nightlands, in "Time And Place" von einer Vergangenheit, als wäre sie nur eine implantierte Erinnerung. Ein nostalgischer, romantischer und fraglos unrealer Ort. Danke schön, Einladung angenommen.

Von Lied zu Lied folge ich Nightlands auf dessen Holodeck in den Wald der Eichen-Insel, tiefer und tiefer. Seine psychedelischen Pop-Songs glitzern links und rechts durch das Geäst, verspotten mich. Oft bleiben sie wie in "You're My Baby" nur zerbrechliche Skizzen, an den Rändern leicht ausgebeult.

Für einen kurzen Moment hält Hartley inne, gibt am Lagerfeuer verträumt "So Far So Long" von sich. Eine verstrahlte Beach Boys-Hymne in den Fängen von 10cc. Bionische Roboter-Möwen gleiten hörbar über uns hinweg. In nicht all zu weiter Ferne höre ich das Meer rauschen. Mechanische Pet Sounds.

Träum weiter! In seinem Zentrum wirkt "Oak Island" für kurze Zeit magisch und gelöst. Für "Born To Love" gibt Wall-E, begleitet von glasklaren Bläsern, seine eigene Version von Ivers "Perth". "Other Peoples Pockets" geht so weit, sich schwärmerisch bei "Hymn" von Barclay James Harvest zu bedienen, dieses aber zeitgleich von der Seite mit Elektrodrumschlägen zu torpedieren.

Bevor uns der Silberhansel in die Wirklichkeit entlässt, zieht er das Tempo an. "I Fell In Love With A Feeling" lässt die Housemartins, Belle And Sebastian und ELO an einer Waldlichtung aufeinander treffen und Hand in Hand ins Universum enteilen. "It's a matter of taste, it's a matter of time / you can always trade needs for a pill or a line."

Stop! Schockiert blicke ich auf meine geschriebenen Zeilen zurück. Bevor ich vollends durchknalle und mich im Dickicht verliere, wird es Zeit dem Holodeck und "Oak Island" den Stecker zu ziehen. Hartely darf sich abschminken und was anziehen gehen. Die Reise war verführerisch, wenn auch etwas verwirrend. Ich beginne zu schielen. Mach's gut und danke für den Fisch.

Trackliste

  1. 1. Time And Place
  2. 2. So Far So Long
  3. 3. You're My Baby
  4. 4. Nico
  5. 5. So It Goes
  6. 6. Born To Love
  7. 7. I Fell In Love With A Feeling
  8. 8. Rolling Down The Hill
  9. 9. Other Peoples Pockets
  10. 10. Looking For Rain

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