laut.de-Kritik
Mit Sarumans Hilfe zum neuen Referenzwerk.
Review von Manuel BergerFrisches Blut läuft seit 2017 durch die Venen Niles. Dallas Toler-Wade verabschiedete sich nach über 20 Jahren Mitgliedschaft in der Technical Death Combo und machte damit einen der am schwierigsten zu besetzende Jobs der Metalszene vakant. Denn welche Fanatiker sind schon in der Lage, Niles kranke Gitarrenparts zu shredden und dazu auch noch im Takt rumzubrüllen? Ganz zu schweigen von dem unmenschlichen, aber notwendigen Muskelgedächtnis, um das Liedgut live aufzuführen ... Brian Kingsland heißt der Herr, der ab sofort diese Rolle einnimmt und Toler-Wades pyramidengroße Fußstapfen scheinbar mühelos ausfüllt. Nile klingen auf "Vile Nilotic Rites" noch tighter als zuletzt.
Vielleicht liegt das daran, dass die Band mit neuem Ansatz an der Platte arbeitete. Mastermind Karl Sanders erklärt, er habe seit dem Debütalbum nicht mehr so eng mit Bandkollegen beim Songwriting zusammengearbeitet wie jetzt für "Vile Neurotic Rites". Nach Neubesetzungen auf Toler-Wades Platz und der seit jeher unbeständigen Position am Bass musste ein neues Gemeinschaftsgefühl entstehen. Kein Wunder, dass seit der Vorgängerplatte "What Should Not Be Unearthed" die längste Albumpause der Bandkarriere vergangen ist.
Bis ins letzte Detail stimmten die Musiker angeblich alles ab, mit dem Ziel einen – für ihre Verhältnisse – kompakten Schlachthammer zu schmieden: "Drums und Vocals bekämpfen sich nicht; Gitarren und Drums bekämpfen sich nicht; alles greift kohäsiv ineinander." Tatsächlich bündeln sie ihre Kräfte mehr. Waren die vorangegangenen Alben Hurricanes, die koordiniert chaotisch an mehreren Stellen gleichzeitig wüteten, gleicht "Vile Nilotic Rites" eher einem Tornado, der zwar unvorhersehbar die Richtung ändert, aber stets mit geballter Wucht zuschlägt.
Dazu trägt gerade Kingsland entscheidend bei. Beinahe anmutig (soweit das im Death Metal möglich ist) gleiten seine Growls über die Riffs – egal ob pfeilschnell oder geschleppt groovend. Nie schreit er gegen etwas an; das Instrumental fungiert immer als Rückenwind. Das bedeutet freilich nicht, dass die Herren auf verzwickte Figuren verzichten. Niles Songs sind noch weitaus komplizierter als ihre Tracktitel. Und das will etwas heißen bei Namen wie "Oxford Handbook Of Savage Genocidal Warfare" und "The Imperishable Stars Are Sickened"!
Durch "Oxford Handbook Of Savage Genocidal Warfare" pflügt Drummer George Kollias in wahnwitzigem Tempo. Lies: Noch schneller als in dem mit halsbrecherischen Dickdrum-Manövern ausgestatteten "Revel In Their Suffering", dem stramm gen Grindcore preschenden "Snake Pit Mating Frenzy" und dem wutschnaubenden Break-Füllhorn "Where Is The Wrathful Sky". Kollias' Doublebass rattert schneller als die meisten Fanzungen nachahmen könnten. Obwohl die Band selbst in diesem Geschwindigkeitsrausch Haken schlägt, der Drummer unübersichtliche Trommelwirbel einflicht und die Patterns im Zehnsekundentakt durchmischt, bewahren Nile eine gewisse Eingängigkeit. Teile ebenjenes "Oxford Handbook Of Savage Genocidal Warfare" könnten auch von Morbid Angel stammen.
Noch griffiger wird's ausgerechnet im fast neunminütigen Mammuttrack "Seven Horns Of War". Nach fünf Minuten Hirnwickel-Geballer öffnen Nile nämlich die Komposition in epische Soundtrack-Sphären – und plötzlich ertönt das Isengard-Bläser-Theme aus "Der Herr der Ringe". In originaler Harmoniefolge. Kein Witz. Wie das ins Ägypten-Konzept der Band passt? Nicht so wichtig. Schließlich krabbeln auch Zombieameisen durchs Pyramidengewölbe Niles, glaubt man Sanders' augenzwinkernder Prämisse zum Oriental-Folk-Instrumental "Thus Sayeth The Parasites Of The Mind". "Wir versuchen, uns selbst nicht zu ernst zu nehmen. Wir sind keine College-Professoren", belehrt er uns. "Nile spielen Death Metal. Also gibts in den Lyrics einen Haufen Ironie."
Humor und Spielspaß haben Nile also trotz aller Komplexität und alttestamentarischem Zorn nicht verloren. Beflügelt von neuer Gemeinschaftsdynamik präsentieren die Tech-Death-Ikonen ein neues Referenzwerk. Daran führt im Genre mindestens 2019 kein Weg vorbei.
3 Kommentare
Diese verkrampft blumigen Metaphern gibt es auch nur in Metal-Reviews, oder? Das ist jedesmal aufs Neue purer cringe, und alle Reviews lesen sich gleich. Bin überrascht, dass hier nichts von "Fellen" und "Äxten" zu lesen war.
Was sind Dickdrum-Manöver?
Top Album. Scheppert wie Sau.