laut.de-Kritik
Nein! Doch. Ohh!
Review von Sven KabelitzSongs! Bitte, Northern Lite, gebt mir Songs! Es wäre so viel besser, wenn ihr euch etwas mehr auf euer Songwriting konzentrieren würdet. Wenn ihr es einmal schaffen würdet, mehr als nur eineinhalb gute Nummern auf eure Alben zu packen. Wenn eure Longplayer nicht zu 80% aus Füllmasse bestehen würden. Dann wäre es so egal, dass ihr immer noch klingt, als wärt ihr geradewegs von der letzten Depeche Mode-Party in euer Studio getaumelt. Dann würden euch hier die guten Wertungen nur so um die Ohren fliegen. Versprochen. Es wäre mir eine Freude.
Aber nein, auf mich hört ja niemand. Nachdem Abgang von Frithjof Rödel und dessen Gitarre versuchen es Andreas Kubat und Sebastian Bohn auf ihrem zwölften Werk nun mit einem sehr reduzierten Sound. Nur noch Synthesizer, Drums und Gesang. Eigentlich beste Voraussetzung, etwas wirklich Spannendes, Direktes zu erschaffen. Aber um die Spannung in einer solchen Umgebung aufrecht zu erhalten braucht es – ich weiß nicht, ob ich es schon erwähnt habe? - gute Songs.
Mit "Never Enough" gelingt diesmal genau einer, der gleich zu Beginn steht. Dieser fällt jedoch so positiv aus, dass kurz die Hoffnung besteht, dass sich die Geschichte nach Murksalben wie "Memory Leaks" und "Shuffle Play" bei "Back To The Roots" doch noch zum Guten wendet. Wohl ihr bestes Stück seit langer, langer Zeit, das in seinem Verve an Depeche Modes "Ultra"-Phase erinnert. Das ähnlich angelegte, aber bereits deutlich schwächere "Do You Think Of Me" hält das Level gerade noch halbwegs, aber bereits mit "Au Revoir" geht "Back To The Roots" wieder einmal gewaltig in die Binsen.
Der mit der Leipzigerin Maria Ruhe aka Die Ruhe entstandene Track wirkt wie eine gelangweilte Version von Trans-Xs "Living On Video", in dem Kubat vier Zeilen in der immer gleichen Melodie immer und immer wieder wiederholt. "Angel singing Au Revoir / Devil smokes his best cigar / Never seen it so bizar / Nuschel Nuschel is all we are."
Ruhe gibt ihm das Echo, übernimmt später kurz die Hauptrolle und gibt im gesamten Songs eine weitaus bessere Rolle ab als der eigentliche Hauptdarsteller. Doch auch sie kann hier nichts mehr retten. Das Ergebnis scheint die Band aber so sehr zu begeistern, dass sie an das Ende von "Back To The Roots" noch die "Club Version" hängen.
Schließlich kommt es noch zum Unausweichlichen. Zu dem Punkt, auf den die gesamte Bandgeschichte im Grunde seit Beginn ausgerichtet war. Denn Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit. Northern Lite covern Depeche Mode. "Nein!" Doch. "Ohh!" "Enjoy The Silence". "Nein!" Doch. "Ooh!" Und es klingt genau so, wie sie es sich vorstellen. "Ich?" Sie. "Nein!" Doch. "Ooh!" Die Gitarre fehlt, die Synthesizer blubbern etwas mehr, aber im Grunde bleibt alles gleich. Selbst der Aufbau. Ab in die Liste der unnötigsten Coverversionen.
Zudem ist die Nummer bereits über ein Jahr alt und stammt von der "Hollywood Girl EP". Ein Schicksal, das sie sich mit "I'm So Glad" teilt, das erstmals auf der "Old School Baby EP" zu hören war.
Tatsächlich. "Back To The Roots" von Northern Lites führt nur "Old Times", das mit seinem altbackenen Club-Sound wohl irgendwie an das Debüt "Small Chamber Works" erinnern soll. Ein kreativer Offenbarungseid, dessen größte Leistung darin besteht, das Kubat 35 mal "Motherfucker" ins Mikro hustet. So provozierend wie ein Besuch im Küchenstudio. Mit der einzigen weiteren Zeile fassen Kubat und Bohn das Album und ihre ganze Karriere im Grunde perfekt zusammen: "Old times never come back (no more)."
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