laut.de-Kritik
Die Chicks On Speed des Fernen Ostens.
Review von Daniel StraubAus dem Fernen Osten erreichen uns Mitteleuropäer in regelmäßigen Abständen interessante und zumeist ein wenig seltsam anmutende Soundexperimente. Die japanische Frauenband OOIOO um Sängerin Yoshimi darf ebenfalls dieser Kategorie zugerechnet werden. Das Album "Kila, Kila, Kila", erschienen auf dem Chicagoer Label Thrill Jockey, wartet mit poppigen Psychedelic-Experimenten auf ohne den fernöstlichen Exotenbonus zu unterschlagen.
So hört sich vieles auf "Kila, Kila, Kila" zugleich vertraut und fremd an. Epische Klangmodulationen prägen die acht Tracks des Albums und verraten damit ihre Nähe zu den psychedelischen Soundexperimenten von Krautrockbands wie Neu! oder Faust. Nur ergänzt das Quartett seine Songs im Gegensatz zu den Ikonen der 70er Jahre mit, zumindest für unsere Ohren, rein lautmalerisch anmutenden Lyrics, die für den vorsichtigen Popappeal der Stücke verantwortlich zeichnen. Die Liebe zur Melodie an sich, wenn auch noch sehr vorsichtig ausgelebt, erstaunt bei OOIOO. Schließlich machte sich Yoshimi seit Mitte der 80er Jahre in verschiedenen experimentell-noisigen Formationen einen Namen.
Auch später, als Kim Gordon und der Rest von Sonic Youth zu ihren Fans zählten, behielt Yoshimi ihren unkonventionellen Zugriff auf Melodie und Rhythmus bei, machte Streifzüge durch die verschiedensten Genres von Noise, über New Wave und Punk bis hin zu poppiger Performancekunst. Berührungsängste kennt die sympathisch ausgeflippte Dame offensichtlich keine, darin gleicht sie den Chicks On Speed, die bildende Kunst, Musik, Film und Literatur zu einem befreiend chaotischen Cocktail vermischen.
Im Gegensatz zu den Chicks setzen OOIOO fast ausschließlich auf natürliche Instrumente, von denen sie eine beeindruckende Anzahl auf "Kila, Kila, Kila" auffahren. Jello, Violine, Piano, Trompete sowie Bass, Schlagzeug und Gitarre erzeugen ein vielfältiges und lebendiges Klanggebilde, das mehr als einmal in langen Improvisationen seine Nähe zu Jazz heraus streicht. Da erstaunt es auch nicht weiter, dass das Chicagoer Label Thrill Jockey Interesse an OOIOO bekundete. Denn mit Tortoise und Jim O'Rourke kann man dort auf eine lange Tradition experimenteller halb-akustischer Musik zurückblicken.
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