laut.de-Kritik
Viel zu viel für ein Gehirn.
Review von Hannes WesselkämperDas neueste Werk des Of Montreal-Masterminds Kevin Barnes bedeutet wieder mal die pure Überforderung. Angefangen beim überladenen Artwork des Albums im Tattoo-Stil vor rotem Hintergrund: Kirchenfenster, brennende Herzen und Wolken übertragen den Albumtitel "False Priest" ins Bild.
Wer das Kollektiv aus dem Dunstkreis der Elephant 6-Bewegung kennt, weiß auch um die musikalische Überforderung, die den Ohren bevorsteht. Barnes' Falsett pulverisiert die Gehörknöchelchen bei seinen Genre-Ausflügen geradezu. Der gutgelaunte Indie-Tenor geht allerdings zu keiner Zeit unter.
Ein Highlight stellt die Single "Coquet Coquette" dar. Vergleichsweise einfach gestrickt wirkt der Track, was jedoch positiv zu Buche schlägt. Das spacige Synthiesolo gegen Ende sollte allerdings auch diejenigen zufrieden stellen, denen der eingängige Indierock zu monoton erscheint.
Offenherzig sollte der Hörer jedenfalls sein, macht "False Priest" doch bei jeder Gelegenheit einen U-Turn. Generell bleibt es dennoch eher ein unmögliches Unterfangen, sich Song für Song an das Album heranzutasten.
Der Zitatehengst Barnes kennt offenbar keine Gnade: Die Bee Gees finden sich in einem Topf mit MGMT wieder, David Bowie kollidiert mit Prince. Da wirken die Flaming Lips plötzlich wie eintöniger Chartspop. Das liegt u.a. am veränderten Produktionsumfeld des zehnten Of Montreal-Albums. Producer Jon Brion konnte den Chef-Strippenzieher Kevin Barnes von seinem Laptop in ein richtiges Studio locken – in die legendären Ocean Way Studios.
Mitreisende durch die Annalen der Musikgeschichte sind Jay-Z-Schwägerin Solange Knowles und Redaktions-Liebling Janelle Monáe. Diese bilden jedoch eher einen soulschwangeren Gegenpart zu Barnes hoher Falsettstimme, auch wenn uns keineswegs R'n'B-Tracks mit Damen erwarten. Aber viel hört man nicht von den Gastsängerinnen, da der hyperaktive Freakrock des Musikerkollektivs sie schlichtweg überrennt.
Jeder der 13 Songs präsentiert sich als eigenständiges kleines Universum. Das macht sowohl dem unbefangenen Hörer, als auch dem Popkultur-Puzzlefreund gute Laune. Das Konzept eines homogenen Albums kann man dabei getrost in die Tonne kicken. "False Priest" ist eher eine Platte voller heterogener Splitter aus Genre-Versatzstücken von einem ohnehin schwer fassbaren Musikerkollektiv.
Stört das eigentlich noch jemanden in diesen postmodernen Tagen? Vielleicht ein bisschen. Denn ein Hirn allein scheint für ein solch komplexes Machwerk wohl kaum zu genügen.
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