laut.de-Kritik
Das Duo spielt mit dem Geist der Romantik.
Review von Ulf KubankeÓlafur Arnalds war schon immer zwischen Klassik und Moderne hin- und her gerissen. "The Chopin Project" geht einen Schritt weiter: Mit Ausnahmepianistin Alice Sara Ott interpretiert er Chopins Werke in einem gänzlich neuen Rahmen. Gemeinsam befreien sie den Altmeister von allem Staub.
Das intensive Spiel der Deutsch-Japanerin nähert sich Chopin mit dem gebotenen Respekt, ohne in devote Starre zu verfallen. Gleichzeitig verschmilzt ihr Klavier gänzlich ungezwungen mit Arnalds drumherum drapierten Ideen. Der Isländer bettet die Originalkompositionen in eigens verfasste Intermezzi ein. So vermischen sich die Jahrhunderte ganz zwanglos miteinander. "Reminiscence", "Written In Stone" oder "Letters Of A Traveller" umspülen die Préludes, Nocturnes und Sonaten wie die Gischt das Riff.
Die Auswahl der Chopin-Stücke weist Arnalds als genau jenen Connaisseur und Ästheten aus, den man in ihm seit langem vermutet. Der dritte 3. Satz der Klaviersonate Nr. 3 ("Piano Sonata No.3: Largo") oder die epochale Regentropfen-Prélude ("Prélude in D Flat Major ("Raindrop")") sind nicht nur musikhistorisch stilprägend. Sie passen als Bilder nahezu perfekt in den von Arnalds gezimmerten Rahmen intensiver Stimmungen.
Diese eigenen Stücke sind der eigentliche Clou von "The Chopin Project". Sie spielen zum Teil ausgiebig mit dem Geist der Romantik ("Reminiscence", "Eyes Shut"). Gleichzeitig verhehlt Arnald keine Sekunde seine ewige Liebe zu Ambient und Flächenkomposition. Ambient-Urväter die Pärt, Gorecki oder Satie hätten sicherlich großen Spaß mit dieser Musik.
Als besondere Delikatessen stechen "Verses" und "Written In Stone" heraus. Schicht um Schicht entfalten beide Lieder eine Art klassischen Drone-Ambient, dem man sich nicht entziehen kann. Wer das hier mag, sollte unbedingt auch Pärts "Cantus In Memoriam Benjamin Britten" (1977) oder Goreckis "Sinfonie Der Klagelieder" (1976) für sich erobern.
So gelingt dem Duo eine wundervolle Platte, die Herz und Hirn gleichermaßen anspricht. Nebenbei erbringen Arnalds/Ott den Beweis dafür, dass sich Past und Present vortrefflich ergänzen, sofern man den Pfad abgeschmackten Crossover-Horrors mit gebotener Verachtung links liegen lässt. Hoffentlich bleibt das schöne Konzept der beiden keine Eintagsfliege.
4 Kommentare mit einer Antwort
Ich bin einigermassen verblüfft, hier diese Rezi zu finden. Aber absolute Zustimmung. Alice Sara Ott ist fantastisch und auch "Scandale" mit Fransceso Tristano verdient mehr Aufmerksamkeit, auch wenn das (= Le Sacre du Printemps zu 4 Händen) nicht ganz so zugänglich ist.
Bin auch überrascht, passt wenig ins laut Schema. Ich mag olafur sehr gerne, das werde ich mich sicher auch zuführen, die Idee finde ich super, dass arnalds sein Handwerk beherrscht weiß ich...
ist vom laut-schema auch nicht weiter weg als der Schlagerschmonz zB von Herrn Karpfenteich.
(Zur Klarstellung: Ich vergleiche hier nicht die Qualität der Genres)
es gibt ein laut-schema? das wär doch traurig....
Ich war ja nie ein großer Fan klassischer Musik, aber Chopin fand ich schon immer großartig - von Staub, von dem man ihn befreien müsste, ist da für mich keine Spur. Die Auswahl der Originale ist tatsächlich vielversprechend, da muss ich mal reinhören. Danke für die Rezension, ohne die dieses Projekt bestimmt völlig an mir vorübergegangen wäre!