laut.de-Kritik

Man erkennt die Wüstensöhne kaum wieder.

Review von

Sind wir ehrlich: Kobi Farhi und seine Band hätten längst den Friedensnobelpreis verdient. Wohl keine Band ist bei arabischen wie israelischen Metalfans so anerkannt, so sehr um Versöhnung und Dialog bemüht. Nach ihrem Meisterwerk "The Never Ending Way Of Orwarrior" geht die musikalische Reise nun in eine andere Richtung. Ob sich "All Is One" nun als kreative Sackgasse oder Überholspur erweist?

Viel hat sich recht radikal verändert im "Verwaisten Land". Steven Wilson ist nicht mehr mit von der Partie. Stattdessen produzierten die Israelis weitgehend selbst. Als Mixer besorgte man sich den versierten Routinier Jens Bogren (Ihsahn, Kreator, Katatonia, Paradise Lost, Amon Amarth). Am Ende dieses Prozesses steht eine stilistisch vollkommen veränderte Band. Man erkennt die Wüstensöhne kaum wieder.

Die Songs fallen deutlich kürzer und im traditionellen Singleformat aus. Allesamt sind sie recht konventionell gegliedert nach dem klassischen Strophe-Refrain-Prinzip. Das lässt sie im Ergebnis deutlich eingängiger erscheinen. Dieser Schritt ist durchaus riskant. Bestand ein Großteil des Reizes ihrer Musik doch in der Vermischung komplexer Muster, die sich in ihrer ureigenen Mixtur aus Death, Prog sowie orientalischen Strukturen dramaturgisch durchdrangen.

"Die Songs sind im Vergleich zu vorherigen Veröffentlichungen generell eingängiger, kürzer und direkter. Doch auf keinen Fall ist die Band nun kommerziell geworden. Nicht einmal annähernd." So charakterisiert Kobi die aktuelle Platte. Das klingt schon ein wenig beschönigend. Denn bis auf das an alte Stärken erinnernde "Fail" verzichtet die Truppe nahezu komplett auf den Einsatz von Growls. Besonders der Kontrast im Dialog der Bestie mit Farhis Klargesang oder ansprechenden Female Vocals war stets ein Spannung erzeugender Baustein.

Der Metal-Anteil klingt ebenfalls ein wenig glatter. Das Ethno-Element steht deutlich im Vordergrund. Dafür gibt es nun einen Neo-Klassik-Chor, der für die notwendige Dramatik sorgen soll. Das klappt in Liedern wie dem Titelstück nur bedingt.

Das Mini-Oratorium geizt nicht mit Pathos und Opulenz wie bei Carl Orff. Harmlose Gitarren begleiten eine zwar ausgelassen dargebotene, aber recht simple Melodie. Die Orientalismen sind so einfach, dass man sie fast schon für effektiven Restaurant-Kitsch halten kann.

Das erinnert über Albumläge stark an den Verflachungsprozess der Chormetaller von Therion. Verpackung und Arrangement bleiben aufwändig, entblättert man die Lieder jedoch, bleiben lediglich ein paar nette Melodien übrig, die es sicherlich leichter haben werden, den Weg ins Radio zu finden. Doch mit der glutäugigen Wildheit, die sie einst transportierten, hat das alles nicht mehr viel zu tun.

Texte und Symbolik hingegen bleiben weiterhin über jeden Zweifel erhaben. Allein schon das großartige Cover und die allegorische Emotion, die "Brother" weckt, sind aller Ehren wert. Die Ballade gehört zu den besseren Tracks des Albums, weil sie dem Hörer kein überladenes Theater vorspielt und die schickste Melodie der Platte aufbietet. In pointierten Worten erinnert Kobi daran, dass Isaak (Stammvater der Israeliten) und Ismael (Stammvater der Araber) Brüder sind. Dabei fordert er von beiden Seiten ebenso sanft und unerbittlich, wie es seine Art ist, ein, sich daran gefälligst wieder zu erinnern.

Am Ende der Platte steht man ein wenig ratlos da: Die ehemaligen Könige des alles verzehrenden Dünenmetals mutieren zu freundlichen, aber recht zahnlosen Hardrockern, deren Bügelbrettkompatible Musik sicherlich Heerscharen von Pop orientierteren Hörern finden dürfte, die sich von den alten, komplexeren Alben nicht so angesprochen fühlten. Ob das Ganze nur ein Missverständnis ist oder der Beginn eines neuen Pfades, erfahren wir erst bei der nächsten Scheibe.

Trackliste

  1. 1. All Is One
  2. 2. The Simple Man
  3. 3. Brother
  4. 4. Let The Truce Be Known
  5. 5. Through Fire And Water
  6. 6. Fail
  7. 7. Freedom
  8. 8. Shama'im
  9. 9. Ya Benaye
  10. 10. Our Own Messiah
  11. 11. Children

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