laut.de-Kritik
Der bis heute zeitloseste Meilenstein im Rap-Game.
Review von Stefan JohannesbergOne size fits all - auf ihrem dritten Album mixen Outkast 1998 klassischen Boom Bap-Rap, fette Funk-Grooves, leichtlebige Electro-Sounds und Conscious-Soul zu einer bouncend-blubbernden Black Power-Party-Bowle. Schon der beim oberflächlichen Ohrgenuss straighte G-Funk-Track "Return Of The G" offenbart mehr Tiefen als ganze Rap-Alben Ende der 90er. Der Gangsta-Chorus wird mit einem karikierend hohen "Uuuhhuhuuh" beantwortet, Streicher, Harfen und Bläser tauchen kurz auf wie Loch Ness, und Andre 3000 schlägt die Brücke zwischen den ersten beiden Werken.
"Return of the gangsta thanks ta' / them niggas that thank [think] you soft / and say y'all be gospel rappin' / but they be steady clappin' when you talk about / bitches & switches & hoes & clothes & weed / let's talk about time travelin' rhyme javelin / somethin' mind unravelin' get down"
War ihr Debüt die Geburtsstunde des Dirty South-Subgenres, so brachte der Nachfolger den Space-Sound in den Süden. Auf "Aquemini" nehmen die kongenialen "Brothers vom another mother" Andre und Kollege Big Boi unterstützt vom Organized Noize-Team nun die beiden Entwürfe und fügen ihnen mannigfaltige Motive hinzu - beginnend mit der ersten Single "Rosa Parks", der Geburtsstunde von Bubba Sparks, Nappy Roots und Konsorten. Über einen fiebrigen Uptempo-Beat feiern sich Lagerfeuer-Klampfe, Handclaps und Mundharmonika-Part gegenseitig.
Auch die Hip Hop-Puristen bekommen Schore für die Ohren. Auf dem straighten Hot-Steppa-Tune "Skew It On The Bar-B" flowt Chefkoch Raekwon so flüssig wie Montezumas Rache und verwandelt jeden anderen Rapper automatisch in Ed-Ed-Ed-mund Stststoiber. Die angesprochenen, zumeist dem Eastcoast-Gang Starr-Wahn verfallenen Puristen bricht das Duo aus Atlanta mit Kopfnickern wie "Slump" oder Native Tongue-Storytelling ("West Savannah") im Vorbeigehen dann endgültig den Wendehals.
All das hätte digge zu Höchstnoten in The Source, Juice und L.A. Times gereicht, doch einen Platz unter den Top 500 Alben aller Zeiten im Rolling Stone und Lobeshymnen von Eric Clapton? Das erforderte - "Synthesizer". Zwölf Jahre vor The Weeknd und Drake liefern Outkast auf Song sechs den Blueprint für den elektronischen, barrierefreien Social Media-Sound. The Source schrieb damals in weiser Voraussicht:
"In fact, not since Dr. Dre's The Chronic have we had such a ground-breaking hip-hop record, one that will literally have everyone rethinking how to approach creating this genre for years to come."
Outkast gelingt mit ihrem dritten Album der bis heute zeitloseste Meilenstein im Rap-Game. Ähnlich wie bei den Beastie Boys, deren wichtigstes Album eben "Pauls Boutique" und nicht "Licensed To Ill" oder "Check Your Head" war, stehen auch bei Andre 3000 und Big Boi "Southernplayalisticadillacmuzik" und "ATLiens" mehr im Rampenlicht, für ihr drittes Album gilt jedoch:
"Even the sun goes down heroes eventually die / Horoscopes often lie and sometimes 'y' / nothin' is for sure nothin' is for certain nothin' lasts forever / But until they close the curtain / it's him & I Aquemini"
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
11 Kommentare
"spottieottiedopaliscious" als Wecker
cuuhuueeeel
WORD!
Schöööön vorsichtig mit den Beasties - da hängt meinerseits immense Leidenschaft dran
Also, die Beastie Boys brauchen einen Meilenstein (lieber gestern als morgen) und es kommen MINDESTENS drei Alben in Betracht...
Popkulturell höheres Gewicht haben am ehesten Licensed to Ill und Ill Communication. Musikalisch kann ich aus Sicht der HipHopper die Nominierung von Paul's Boutique vollstens nachvollziehen. Was hier für ein Stylemix-Feuerwerk mit Sample-Raketen Klasse A abgefackelt wird - da packen die Beasties mehr Ideen in einen Song als mancher Rapper in seine gesamte Diskografie.
Check your head wiederum spricht in seiner musikalischen Vielfalt wohl eher die Indie-/Alternative-Fraktion an - gereifte technische Finesse an den Instrumenten und rap-untypische Songstrukturen tun ihr übriges, die Platte zu einem musikalisch zeitlosen Klassiker zu veredeln - und doch tut sich die Koppnicker-Fraktion mit Check your head wahrscheinlich schwer, dies als "vollwertiges" HipHop-Album anzuerkennen.
Ist es ja auch nicht - es ist soviel mehr als das... Will nur sagen, gebt den Beasties endlich ihren Meilenstein - aus der Zeit 1986-1994 is mir völlig schnurz, welcher...
Ach ja, Outkast empfand ich auch schon lange als herausstechend aus ihrem Genre - liegt zugegebenermaßen aber wohl auch am langjährigen Topseller-Status und resultierendem Bekanntheitsgrad. Aber "für die Art Mucke" ist das stets sehr angenehm produziert und gut hörbar. Dass ihre Songs Potential haben, merkt man u.a. ja schon an den unzähligen, zumeist aber funktionierenden Lagerfeuerversionen von "Hey Ya".
Schon' recht, aber: Beastie Boys = Hip Hop (was sie wohl unterschreiben würden) Also schlägt Pauls Klamotten die Indie-Kiff-Hymnen und die kranke Punk-Lizenz
Wahnsinnsplatte! Alter Schwede, allein "Slump".