laut.de-Kritik

Punkrock war der Plan, Pop ists geworden.

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Sommer 2006 - Zeit der Legendenbildung: Die WM führt zu kollektivem Fähnchenhissen und Nationalbewusstsein. Astronomie-Fans frohlocken, als Pluto der Planetenstatus aberkannt wird. Italien kommt zu Sinnen und wählt Berlusconi ab, und auch das Internationale Jahr der Wüsten und Wüstenbildung bewegt das Zeitgeschehen.

Mitten in die Euphorie platzt ein Song, der Bob Sinclairs unerträgliches "Love Generation"-Geschmalze in die Schranken weist: Drei Schweden pfeifen sich fröhlich in die Hot Rotation sämtlicher Radio- und TV-Stationen. "Young Folks" von Peter, Bjorn And John ist 'der' Sommerhit des Jahres.

Der Song soll der Überhit der Band bleiben. Die beiden Nachfolger-Alben gelangen kaum in die allgemeine Wahrnehmung. Ob sich mit dem neuesten Wurf "Gimme Some" eine Rückkehr zu Chartsplatzierung und Mainstream-Applaus abzeichnet?

Vorschusslorbeeren jedenfalls erteilt sich das Trio kurzerhand selbst. Das dreifache Daumenhoch auf dem Cover rekuriert auf die 2006er-Hochstimmung - nicht ohne Ironie: Der abgehackte Handstumpf demontiert die hohle Geste, bevor man den Schweden zu viel Optimismus in eigener Sache ankreiden könnte.

Doch Optimismus ist, ohne Vorhaltung, wieder zum Credo von PB&J geworden. Nach dem verschwurbelt-experimentelleren Vorgänger besinnen sie sich nun auf gut gelaunten Sommer-Sonne-Gitarrenpop zurück.

Und das funktioniert bestens. Schon der Opener "Tomorrow Has To Wait" nistet sich mit kindlich einfacher Eindringlichkeit und Cha-Cha-Cha-Beat in die Gehörgänge ein. Peter Morén singt, der Chor folgt, und schnell tut man es ihnen gleichtut. Was braucht ein Ohrwurm mehr?

Poppig leicht geraten auch Liedchen wie "Dig A Little Deeper" und "Second Chance". Doch die im Cover angedeutete ironische Brechung zieht sich bis in die Essenz der Platte: Frohsinnige Melodieführung, spielerische Vokaleinwürfe, flockiges Drumset und viel chorales "Uhh" bilden das Antonym zu den Lyrics.

Letztere negieren die in den Melodien überwiegende Heiterkeit auf meist bissige, teils mokante Art. Was sich zunächst liest wie ein Abgesang auf die Verflossene ("Before you break my heart / Before you start / I'm gonna break your arm in concentration"), entwickelt sich zur Warnung an schlecht gesinnte Musikjournalisten ("Before you make a sound / And try to turn us down / I'm gonna stuff your mouth with all your riddles").

Obacht ist also angesagt: Zu einem Hauch von Surffeeling und Garagenpop gibts eine ordentliche Portion Skepsis ("You can't count on a second chance / The second chance will never be found"), Spott ("And if you think your brain is hollow / You just have to scream / And dig a little deeper") und Spitzen gegen das schwedische Königshaus ("(Don't Let Them) Cool Off").

Neben mühelos flapsigem Indiegeschrammel bietet das sechste Studioalbum auch aggressivere Sounds in Lo-Fi-Ästhetik auf "Black Book" oder "Lies" sowie fast schon Shoegaze-Halleffekte ("I Know You Don't Love Me"). Auf dunkleres Downtempo drosseln PB&J das gedankenvolle "Down Like Me".

Immer schwebt über den Songs eine dezente Referenz an Bands wie The Beach Boys oder die Buzzcocks, was kaum wundert: Ein Punkrock-Album war vorgesehen, ein Pop-Album ists geworden.

Was aufs erste Anhören zuweilen beliebig klingen mag, entpuppt sich in der Wiederholung als clever komponierte Indierock-Scheibe. Egal ob Frühlingshoch oder Sommerloch: Peter, Bjorn And John reiten das Gitarrenbrett mit ausgefuchster Raffinesse und teilen nebenbei derart verschmitzt aus, dass weder Pluto noch Berlusconi einem die Laune verderben.

Trackliste

  1. 1. Tomorrow Has To Wait
  2. 2. Dig A Little Deeper
  3. 3. Second Chance
  4. 4. Eyes
  5. 5. Breaker, Breaker
  6. 6. May Seem Macabre
  7. 7. (Don't Let Them) Cool Off
  8. 8. Black Book
  9. 9. Down Like Me
  10. 10. Lies
  11. 11. I Know You Don't Love Me

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