laut.de-Kritik
Ein weiteres Schlüsselkind täte Deutschrap gerade gut.
Review von Dominik LippePilz startet mit einer Standortbestimmung. "Alles, was ich bin, ist 'ne Frau, die gut rappt", formuliert sie einleitend ihre Sicht auf sich selbst. "Statements" kommt als Appell daher, sich auf die Grundtugenden der "alten Schule" zu besinnen. "Rap ist drei Minuten zeigen, was man kann, und danach bin ich in meinem Alltag Nine to Five gefangen." Von der unterschwellig angriffslustigen Produktion, die sich abgesehen von einigen Gaming-Sounds keine Sperenzchen erlaubt, bis zu ihrem fokussierten, genau akzentuierten Vortrag spiegelt das Gesamtprodukt "Gift & Galle" diese Sichtweise wider.
Bei allem Genre-Gräuel weckt ihr missbilligender Blick aber auch Schutzreflexe. "Das Rap-Geschäft ist so kaputt und so zerrüttet. Und deswegen hab' ich keine Lust da Rücksicht drauf zu nehmen", ätzt Pilz in "Statements". Klar, die Eurosportler Azet und Dardan mögen die Charts dominieren und der moralamputierte Sun Diego die Rap-Klatschpresse, doch ob sie mit alledem repräsentativ sind, dürfte doch eher fraglich sein. "Ich hab' mich an die Scheiße gewöhnt, ich hab' mich so an diese Scheiße gewöhnt", gaukelt sie zwar vor, doch die Raserei auf Albumlänge widerlegt ihre vermeintliche Resignation.
Bereits ab "Bildet Banden" widmet sich die Rapperin ihrer Lieblingsdisziplin, dem politischen Protestsong. Mit Éasy, Lila Sovia und Vandalismus wütet sie über einen EDM-Beat gegen die AfD und Antisemitismus, Massenabschiebungen und patriarchale Strukturen. "Tretet nach oben!", lautet der zentrale, gerade hierzulande oft missachtete Mahnruf. Was klar zur Hörbarkeit beiträgt, ist die mitgelieferte Attitüde. Pilz nimmt in ihrer Kritik nie eine moralisch überhöhte Position ein, sondern rappt stets in Kampfpose mit einer Hand zur Faust geballt und der anderen mit festem Griff um den Baseballschläger.
Allerdings hat ihre Dauerwut auch zwei Haken. Zum einen leidet ihr durchaus beachtlicher Rap-Vortrag, der ohne emotionale Variation mit der Zeit geisttötend wirkt, zum anderen vernebelt der Zorn auch ihren eigenen Geist. Konkreten Problemen begegnet Pilz, indem sie betont, "kein' Respekt für den Staat und das Gesetz" zu haben. In "Gift & Galle" arbeitet sie sich an Inflation, Einsamkeit, fehlenden Therapieplätzen und dem nur theoretischen Leistungsprinzip ab, um daraufhin kopflos durch die Straßen zu rennen und fortlaufend "Riot, Riot, Riot, Riot!" zu skandieren. Doch wem ist damit geholfen?
Immer wieder hat ihr Widerstand reinen Schlagwortcharakter, etwas wenn sie in "Alerta" die Dauerbrenner "Eat the Rich" und "Mach kaputt, was dich kaputt macht" bemüht. Einen Middleground kennt Pilz ohnehin nicht. Aus der korrekten Problembeschreibung, wonach Reiche reicher und Arme ärmer werden, leitet sie den naiven Lösungsvorschlag ab: "Hauen auf die Kacke, bis der Kapitalismus aufhört, zu atmen." Und wer soll überhaupt die "irrelevante, linksradikale, polarisierende Hippie-Visage" sein, die dem Rezipienten angeblich verbieten wolle, Linienbus zu fahren?
Wie hervorragend ist dagegen das krachende, mutmaßlich autobiografische "Nicht Allein", das sich dem Horror eines sensiblen Kindes zwischen einer bedrohlichen, verständnislosen Mutter und seinem "Erzeuger" widmet, der mit ihr nichts zu tun haben will? Die persönlichen Abgründe setzen ihren Groll nochmal in einen neuen Kontext. Da helfen auch identitätspolitische Kategorien nur bedingt. "Ich bin weiß, ich bin cis", gesteht Pilz in "Pitties", doch habe sie "immer den Schlüssel am Hals" getragen. Daran sollte sie künftig anschließen. Deutschrap würde ein weiteres Schlüsselkind gerade guttun.
3 Kommentare mit 19 Antworten
"'Ich bin weiß, ich bin cis', gesteht Pilz". – Schämen sollte sie sich.
Bistn du eigentlich fürn Vogel?
Yo gueldi, ich habe eine Skizze fertig, brauch aber mal die vocal-Spuren
Hab einen kurzen Anflug von Neid ob deines anhalten kreativen Produktionspensums verspürt, aber dann fiel mir wieder ein, dass ich gerade eben von der beinahe Original Balkanhochzeit des Gitarristen vom rechtsseitigen Stereokanal nach Hause zurück gefallen kam und jetzt gerade die Ampel so lichterloh am Brennen wie das ganze Jahr vorher noch nicht. Und dass Ghinzu, den ich dort kennengelernt hatte, beim Abschied meinte, dass wir jetzt als ganze Band geladene Gäste der nächsten original Balkan-Party ihrer Community seien, weil das heute ja gar keine original Balkan-Party gewesen sei, da sie völlig ohne Einsatz der örtlichen Rettungskräfte verlief...
.... und jetzt weiß ich wieder, wo die Zeit zum Produzieren geblieben ist und dass die aber auf keinen Fall (anders als hier immer wie auch jetzt gerade wieder) verschwendet war, obwohl die ganze Zeit über niemand ein Instrument in der Hand oder einen Kopfhörer auf den Ohren hatte.
Gutes Gelingen für eure Kollabo bzw. den Remix und latürnich wie gewohnt verlinken sobald verfügbar bitte.
Vielen Dunk. Ich habe ja unlängst mein Idealsetup für unterwegs gefunden, auf dem Eierfon, das ich leider eh mit mir rumschleppen muss, aber das hat meine Kreativität massiv geboostet, weil ich zu jeder Gelegenheit innerhalb von 10-20 Minuten eine mehr oder weniger veritable Loopskizze hinbekomme (und dabei sogar shitty field recordings einbauen kann), oder wenn länger Zeit ist, sehr komplex sounddesign patches bauen kann.
Yo caps, geil!! hab bei meim Producer die Vocal-Spuren angefordert, sollte ich heute abend bekommen, dann kann ich dir weiterleiten.
Ist jetzt sogar schon fast fertig, nur noch mal mit den Vocals mischen :3
Mega. Wo soll ich die hinschicken?
Dann gebt mal Gas, Caps und Güldi. Bin gespannt.
Gerne mir per irc einen Link schicken. Https://Webchat.quakenet.org/, da findest du mich im #gromky, oder direkt per „/query CAPSLOCKFTW“
Done
Wenns taugt lad ichs aufm Blog hoch.
Kannst ab heute abend mal rumkommen (oder mir auf gleichem Wege einen Mailkontakt schicken), damit du es dir anhören kannst und wir besprechen können, wer wann wie wo rausbringt und so.
"
Cole_Walker Vor 9 Stunden
Wenns taugt lad ichs aufm Blog hoch.
"
Wenns nicht taugt lad ichs aufm Blog hoch
Bin heute abend da
Du warst zwar mit dem ersten Beitrag nicht gemeint, aber immer gerne
Yo Gueldi, schon reingehört?
Hey Caps,
sorry für die späte Rückmeldung, deine Mail is prompt im Spam gelandet.
Homes finden Remix alle naise, ich finde auch sehr cool, Details damm im Chat, hm?
Jo, gerne
Mucke für....ja für wen denn eigentlich?
Um Obdachlose am Übernachten in U-Bahn-Stationen zu hindern.
Stimme geht leider gar nicht