laut.de-Kritik

Wohltemperierter Wahnsinn.

Review von

Neben Michael Jackson ("Thriller") und AC/DC ("Back In Black") zählt Pink Floyds "The Dark Side Of The Moon" zu den meist verkauften Alben der Musikgeschichte. Noch mehr als die kommerzielle Seite besticht insbesondere die künstlerische Umsetzung. Das achte Album der Artrock-Apologeten und Psychedelic-Pioniere erhebt sich durch das Zusammenwirken von Musik, Text, Artwork und Konzept zu ganzheitlicher Größe. Getoppt hat sich das Quartett im Hinblick auf Alben wie "Wish You Were Here", "Animals" oder "The Wall" nur selbst, gerade weil man um die virtuose Seite des Progressive Rock stets einen Bogen gemacht hat und mehr auf Vision und Atmosphäre Wert gelegt hat. Statt Herzflimmern generieren die Briten Artrock im Ruhepuls-Tempo.

Es gibt einige beeindruckende Orte und Kulissen, die als Background für die elegische Artrock-Ausschweifungen dienen ("Pulse", "Live At Pompeji"). Da muten die Rundreisen zur kompletten Darbietung von "The Dark Side Of The Moon" deutlich routinierter an. Doch das Konzert im November 1974 profitiert davon, dass ein Kollektiv in London gastiert, das sowohl eingespielt ist als auch vor Spielfreude strotzt. Für einen Live-Gig in den Siebzigern wenig überraschend übersteigt die Spielzeit auf "Live At Wembley" die der Studiofassung.

Prominent im Stereo-Panorama platzierte Gitarre in den raumgreifenden Solo-Parts von Gilmour. Der kreative Kompass ist hingegen Roger Waters, damals wie heute Grenzgänger. Anhand der großen Themen Zeit, Geld und Macht entwirft er das Konzept vom dezenten Abgleiten in den Wahnsinn, musikalisch abgebildet in den drei Weltkulturerbe-Songs "Time", "Money" und "Us And Them". Auch die ikonischen Akkorde in "Breathe" dienen in der Folge als Staffage für die psychedelischen Parts.

Die Echo-Effekte, die in der Studiofassung von in "Us And Them" Gilmours Strophen-Anfängen weiterspinnen, übernehmen die Backround-Sängerinnen The Blackberrys, die auch "The Great Gig At The Sky" zu einem ausufernden, doppelt so langen Erlebnis begleiten. Dick Parry entlockt seinem Saxophon sowohl krachig-kernige Töne ("Money") wie auch die balladesken Betthupferl-Melodien bei "Us And Them".

Der Sound ist sorgsam aufbereitet und in Sachen Mix und Mastering transparent, dynamisch und authentisch in der Darbietung. Sowohl von der Band als auch solo von Waters gibt es bereits etliche Komplettaufführungen. Von den Epigonen und Cover-Aufnahmen - als namhafte sind Dream Theater oder Gov't Mule zu nennen - einmal abgesehen, hört man hier eine Live-Fassung am Puls der Zeit und der Höhe des damals technisch Möglichen. Zudem ist sich die Band der Bedeutung der Platte nicht umfänglich bewusst, was von den eingestreuten Samples einmal abgesehen zu einer freien und zeitlich gedehnten Aufführung führt.

Das 50. Jubiläum von "The Dark Side Of The Moon" feiert die Band respektive die Plattenfirma mit einem Boxset, das auch die Live-Aufnahme enthält, die wiederum auch in separater Form auf den Markt losgelassen wird. Über Sinn und Unsinn einer solchen Praxis lässt sich streiten. Über die Qualität des Materials und der Darbietung hingegen nicht. Als Zeitzeugnis eines zeitlosen Klassikers wäre das komplette Konzert ergänzt um den ersten Teil der Box, der Arbeitsfassungen von "Sheep" und "Dogs" enthält, sowie die Zugabe "Echoes", eine Veröffentlichung wert gewesen. Immerhin klingt "The Dark Side Of The Moon" genauso, wie es vor 49 Jahren sollte.

Trackliste

  1. 1. Speak To Me
  2. 2. Breathe
  3. 3. On The Run
  4. 4. Time
  5. 5. The Great Gig In The Sky
  6. 6. Money
  7. 7. Us And Them
  8. 8. Any Colour You Like
  9. 9. Brain Damage
  10. 10. Eclipse

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1 Kommentar

  • Vor einem Jahr

    Wer es im Regal stehen haben möchte und an den Live at Wembley Urfassungen Raving and Drooling (Sheep) und Youve got to be Crazy (Dogs) interessiert ist dem sei die Experience Edition von Wish you were Here empfohlen in der zwei Discs Version da ist es drauf oder im minimal schlechteren Sound auf YouTube.