laut.de-Kritik

Gras und Gras und Magdeburg.

Review von

Ein Mustersatz der Rap-Journaille: Nach der Trennung von Label X hat Rapper Y sein eigenes Label Z gegründet und bringt jetzt in Eigenproduktion neue Ware an den Start. Das Konzept ist uralt, verliert aber auch 2018 nichts an Aktualität. Und wiederholt sich regelmäßig: Nachdem Ufo361 knapp zwei Monate zuvor seinen Hörern den ersten selbstgebastelten Output um die Ohren haute, ist jetzt der Plusmacher dran. Goldbreuler heißt das Label, "Hustlebach" das Album.

Fans und Kenner des Plusmachers dürften mit diesem Wortspiel des Magdeburgers bereits vertraut sein. Für alle anderen: Der Hasselbachplatz ist ein Knotenpunkt in der ostdeutschen Landeshauptstadt, an dem Fußballfans gerne randalieren und jede Bevölkerungsschicht einen Ort zum Besaufen findet. Und an dem eben auch das ein oder andere Betäubungsmittel seinen Besitzer wechselt. Der Titel lässt schon erahnen: Eine musikalische Revolution tritt der Plusmacher mit seinem fünften Album nicht an.

Die Ahnung bestätigt sich beim Opener. Der dunkle, schwere Beat drückt bedrohlich durch die Lautsprecher, und es fühlt sich an, als würde er den altbekannten süßlich-muffigen Geruch gleich mitbringen. "Es wird wieder gedealt hier am Hasselbach / Endlich wird wieder Plus gemacht". Der "bekannteste Weedrapper in ganz Europa" droppt ein paar Lines über das glorreiche Dealer-Dasein und Onkel Morlockk spendiert 'ne angemessene Hook. Zugegeben, es gab schon schlechtere Album-Einstiege.

Beattechnisch bewegt sich "Hustlebach" auf ganz hohem Niveau. The Breed, sonst auch für den Straßensound von Xatar oder Olexesh zuständig, hat scheinbar auch in seiner Beat-Konsole harzige Knospen verteilt. Anders lässt es sich nicht erklären, dass jeder Track von hanflastigem Rauch benebelt scheint. Dass trotzdem kein Instrumental abfällt oder langweilig klingt, ist dabei umso bewundernswerter.

Nachdem der Plusmacher mit seinen letzten beiden Alben jeweils an den Top 10 kratzte, will er sie diesmal unbedingt knacken. Das hört man "Hustlebach" schon an. "Scheppert" zum Beispiel reitet hart auf der Welle des Neunziger-Hypes, was die halb gesungene, ziemlich eingängige Hook noch verstärkt. Auch das Estikay-Feature auf "Hotboxen", der sich zunehmend als neuer Cro mit Bad Boy-Image inszeniert, wirkt auf eine sehr unangenehme Art anbiedernd. Die käsige Hook, die vermutlich lässig gedacht war, erweckt den Eindruck einer sehr kitschigen Bromance, die, auch im Kontext des Albums, irgendwie unecht rüberkommt: "Steig ein, wir hotboxen durch die Stadt, und es steigt Rauch aus dem Schiebedach / Einer rollt, einer fährt / Ich zieh nur mal kurz am Joint, achtest du auf den Verkehr".

Die restlichen Featuregäste fügen sich ganz gut ein ins Gesamtbild. "Im Brötchen" mit Karate Andi kommt etwas clubbiger daher und verstärkt die altbekannten Rollenbilder der beiden: "Jetzt sind die zwei Assis da mit dem nächsten Klassiker / Der aus der Kanalisation und der Cannabis-Star". Label-Kollege Botanikker unterstützt das Namensversprechen sowohl auf "Jibbits", als auch auf "Trainingsanzug": Marihuana-Flair. "Jibbits" fällt dabei mit seinem rollenden Beat und der wunderbar zum Mitgrölen einladenden Hook auf. Teesys poppige Hook auf "King Vom Hustlebach" erinnert sehr stark an den Alles oder Nix-Sound. Die zweijährige Zusammenarbeit mit Xatar hat doch ihre Spuren hinterlassen.

"Wow!" mit MC Bomber und Frauenarzt fällt hingegen eher negativ auf. Gar nicht unbedingt, weil Bomber seine gewohnt Frauenverachtenden Lines droppt, die im übrigen nicht damit gerechtfertig sind, dass man irgendwann mal vor irgendeiner Kamera angedeutet hat, dass man das Ganze ja eventuell gar nicht so meinen würde. Aber das nur am Rande.

Musikalisch gesehen fällt Frauenarzt ins Gewicht, der vermutlich seit 2003 keinen Grund sieht, an seinen Rapskills zu feilen. Erweckt "Hustlebach" bis zu "Wow!" trotz seiner teilweise sehr poppigen Elemente einen ziemlich runden Eindruck, macht Arzt den Presslufthammer und holpert mit plumpen Haus-Maus-Reimen über den Beat: "Und das beste meine Texte ham kein Schema / Und zu dem außer Sex nur ein Thema: deine Mutter".

Der Plusmacher hat scheinbar immer noch sehr viel Spaß daran, über Mariuhana zu rappen, wirkt energiegeladen und hungrig und legt eine angenehme Dosis Humor in seine Zeilen. "Bullen" beispielsweise unterhält mit seinem DDR-Volkspolizisten-Sample und der melodiösen Anlehnung an "Zealots" von den Fugees. Es ist allerdings irgendwie bedauernswert, dass der Magdeburger, trotz seines Talents für Reime und Rhythmik, inhaltlich denselben Pfad austrampelt, den 99 Prozent der restlichen rap-deutschen Straßenkinder auch entlang watscheln. Die Entfernung von den Wegmarken Drogen, Kriminalität, Bullen und Frauen als Besitz würden nicht nur dem Plusmacher gut tun. Früher oder später ist jede Straßengeschichte mal auserzählt.

Trackliste

  1. 1. Am Hustlebach Feat. Morlockk Dilemma
  2. 2. Bar Bezahlt
  3. 3. Scheppert
  4. 4. Jibbits Feat. Botanikker
  5. 5. Hotboxen Feat. Estikay
  6. 6. Im Bröchten Feat. Karate Andi
  7. 7. King Vom Hustlebach Feat. Teesy
  8. 8. Wow! Feat. Frauenarzt & MC Bomber
  9. 9. Super High Level
  10. 10. B Promi
  11. 11. Goldbreuler Style
  12. 12. Bullen
  13. 13. Trainingsanzug Feat. Botanikker
  14. 14. Pute Mit Metaxa

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6 Kommentare mit 7 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Am Hustlebach wird weiter im Trüben gefischt. Zwischen ballernden Bockwürsten und Oberlippenbartjägern turnt Plusmacher durch ein abgestandenes Sammelsurium aus der barockparfümierten Mottenkiste. Beats von gestern, Stimmung von vorgestern, Unterhaltung frisch geschimmelt aus Tante Emmas Runkelrübensuppe. Sein durchaus charmanter, lässig-siffiger Flow leidet nach wie vor an hüftsteifen Betonungen und einer Inhaltsleere der Tricholera Goldzahn, Hanf, Dosenbier und danach die Sinnflut.

    Nichts überrascht oder motiviert zu mehr. Altbacken und bieder, Features so verödet billig wie lackes Pilsator. Aus der Zeit gefallen, und ich meine nicht The Breeds Oldschoolsounds, hangelt sich Plusi durch fruityloopend drohende Anbiederungen an scheinbar modernere Klänge, kippt jedoch eher stramm in seinen Schrebergartenzaun.

    In starken Momenten wie beim unwiderstehlich kratzigen "Bar bezahlt" glänzen die Goldbeisserchen, ansonsten hoppelt eine Menge egales Katzengold durch den grünlichen Dunstnebel.

    • Vor 6 Jahren

      schönes ding :lol: über sowas kann man wenigstens lachen...beim schwulen jogi hingegen kann man nur noch kopfschütteln...

    • Vor 6 Jahren

      :lol: Naise!

      Ach, wenn man über Plussis Holperflow/Inhaltsleere hinwegsehen kann, ist das durchaus ein gut flutschendes Sommeralbum, Breeds Beats hauen's raus.
      Features finde ich auch okay, wobei der Part von Arzt wirklich unter aller Sau ist.

      Wie gesagt, SSIO auf diesen Beats = killer Album

    • Vor 6 Jahren

      und genau da wird wohl das problem liegen...ssio wird eher so klingen wie xatar auf seiner azet single...

    • Vor 6 Jahren

      Ich hoffe nicht! Ssio hat ja schon oft durchklingen lassen, dass moderne Beats eigentlich nicht sein Ding sind, wie z.B. Chronik 3-Ding.

      Wobei die Xatar-Single ja schon irgendwie AON-mäßig klingt, nur mit moderneren Drums + Autotune-Hook natürlich.

    • Vor 6 Jahren

      SSIO hat doch erst kürzlich verkündet, dass diese "Müllszene" im Herbst "anal genommen" wird.
      Kann mir von daher nicht vorstellen, dass er aufeinmal die Autotune-Hook auspackt.

  • Vor 6 Jahren

    Warte auch in der deutschen Musikszene auf den SUPER-GAU wie im Fußball.

  • Vor 6 Jahren

    ok. Sein 2014er Album (FSW) fand ich noch erfrischend, alles danach war belanglos, storys auserzählt.

  • Vor 6 Jahren

    Für mich immer noch der Meister in Sachen Beat-Picking und Ohrwurm-Hooks.

    Album minimal schwächer als der Vorgänger, macht aber gerade zu dieser Jahreszeit Laune, 3/5 gehen klar.

  • Vor 6 Jahren

    Vom authentischen Rapper zur Karikatur in 4 Jahren. BWL und FSW gefeiert, danach konstant sinkende Qualität ab den Jährlichen Releases, das hier ist leider der Tiefpunkt. Vorhersehbare Tracks, lieblos produziert, absolut flache Charakterzeichung der Kunstfigur... gute Releases brauchen Zeit, aber das geht mit der Politik, dass schnelles Geld mit Boxverkäufen gemacht werden muss, nicht überein.

  • Vor 6 Jahren

    Die Beats sind echt der Hammer. Der Rest ist so meh. Die Features (außer Dilemma, der ist über alles erhaben) sind ziemlich mies, vor allem Arzt und Botanikker. "Du liest ein Buch, ich lease ein Benz"-Line hat Nico KIZ übrigens eins zu eins so gebracht, ich glaube auf elfte Plage. Highlights: Am Hustlebuch, Bar Bezahlt und Bullen.