laut.de-Kritik
Das Sprungbrett in die 90er.
Review von Sven KabelitzZu den unumstößlichen Gesetzen unseres Planeten zählt, dass die Alten die Jugend niemals ernst nehmen. So erging es auch lange Zeit dem Hip Hop. Der war beim Release von Princes dreizehntem Album "Diamonds And Pearls" zwar gerade volljährig geworden, aber was hat er denn bitte schon geleistet? Alles, das er hat, sind schlechte Manieren. Dieser Sprechgesang soll doch erst einmal ins Alter von Jazz kommen. Außerdem ist das eh keine Musik.
Kein Wunder also, dass die Urteile über das Album eher zurückhaltend ausfielen. Schließlich wagte es der Kritikerliebling tatsächlich, Rap in seine Musik einfließen zu lassen. Ein Sakrileg von dem ansonsten gefeierten Mann, der mit "Lovesexy" und "Graffiti Bridge" erstmals ein kleines Karrieretief durchschritt. Doch wie so oft gilt: Glaube keinen Kritiken, bilde dir deine eigene Meinung. Diese geriet bei "Diamonds And Pearls" sehr deutlich: Gleich nach "Purple Rain" nimmt das Album den zweiten Platz der meistverkauften Longplayer des Lilanen ein.
Für seinen erfolgreichen Schritt in die 1990er werkelte Prince nicht nur an seinem Sound, sondern auch an einer neuen Begleitband. Mit The New Power Generation präsentierte er die kraftvolle Nachfolge-Formation von The Revolution. Deren Name geisterte bereits durch "Lovesexy" ("Eye No") und die "Graffiti Bridge"-Single "New Power Generation", doch traten sie in ihrer Perfektion erst hier auf. Eine grandiose Truppe mit Musiker:innen wie Michael Bland (Schlagzeug), Levi Seacer Jr. (Bass, Gitarre) und vor allem Rosie Gaines (Gesang, Hammond). Für einen kurzen Augenblick bildete sie den Mittelpunkt der New Power Generation, bevor sie sich bereits 1992 im Streit von Prince trennte. Unter anderem, weil der Musiker ihr trotz ihres großen Inputs und einer anders lautenden Absprache letztendlich keine Songcredits zugestand. Hinzu kam noch der auf sechs Tracks zu hörende Rapper Tony M., dessen Parts - mehr C+C Music Factory als Public Enemy - heute aber eine klare Schwachstelle des Werks darstellen.
In seinem eigenen Auftreten versuchte Prince, sich maskuliner zu zeigen. Das Unterfangen, von Gangsta-Rap-Musiker:innen und deren Publikum ernster genommen zu werden, gipfelte in seinem ebenso legendären wie albernen Pistolen-Mikro. Seinen damaligen Tourmanager Alan Leeds überzeugte er zumindest nicht ganz: "Er war als Gangsta ungefähr so glaubwürdig wie Snoop Dogg in einer Polkakapelle."
Schon bei der ersten Präsentation des Albums merkten sie auch bei Warner Records, dass ihr ins Straucheln geratener Star wieder zurück in die Spur fand. Zu dem Zeitpunkt tummelten sich Tracks wie "Something Funky (This House Comes)", "Schoolyard" und "Horny Pony" auf der Titelliste. Von zwei der erfolgreichsten Singles fehlte noch jegliche Spur: dem schmierig-pornoesken "Cream" und dem brachialen Aushängeschild "Gett Off".
Dieser verschwitze Funk-Track mit seinem derben Bumm-Bumm-Bass und James Brown-Zitat ("Mother Popcorn"). Ein dreckiges Rhythmusstück, so simpel im Grundgedanken wie abwechslungsreich in seiner endgültigen Ausschmückung. Einer der besten Songs des Tausendsassas, der auch heute noch herrlich funktioniert. Ein so massives Stück Funk, dass es Prince in die 1990er katapultierte. Kurz bevor er sich selbst mit seiner TAFKAP/Slave-Nummer selbst wieder hinausfeuerte. Nachdem er 1992 auf "Love Symbol" noch "My Name Is Prince" gesungen hatte. Aber das ist eine andere Geschichte.
Dabei schaffte es der Übersong "Gett Off" erst in letzter Sekunde auf "Diamonds And Pearls". Zu seinem 33. Geburtstag ließ Prince Maxis mit den "Damn Near 10 Minutes" an ausgewählte Clubs liefern. Dort kamen sie so gut an, dass die heute bekannte gekürzte und aufgehübschte Version kurz vor Schluss noch in der Tracklist landete. "Horny Pony" musste Platz machen. Das eher ungewöhnliche zweite "t" im Titel verdankt das Stück dem bereits auf der "New Power Generation" enthaltenen B-Seite "Get Off", zu dem es jedoch keine weiteren Gemeinsamkeiten aufweist.
Am 1. Oktober 1991 stand ein abwechslungsreicher Longplayer in den Läden, auf dem sich Prince zwischen Funk, Soul, R'n'B, Rap, Pop, New Jack Swing und Jazz austobte. Die teilweise überlebensgroße Stärke der Comebacksingles verdeutlicht aber auch gerade im Rückblick die Schwächen anderer Platzhalter.
Der kraftvolle Opener "Thunder" mag mit wilder Gitarre und Sitar aber von Beginn an gar nichts von irgendwelchen Defiziten wissen und macht seinem Titel alle Ehre. Im zeremonielle Titeltrack definiert The Purple One Schmalz als etwas Majestätisches, ernennt Rosie Gaines zur Princess. Es gibt wohl nur wenige Menschen, in deren Händen eine Mischung aus schmieriger Softpornomusik und einem Stöhnen, das klingt wie eine ächzende Kartbahn, funktioniert. Prince war in "Cream" einer von ihnen.
Zwischen all den Glamour sticht das entspannte "Money Don't Matter 2 Night" deutlich heraus. Philadelphia Soul mit Stevie Wonder-Touch, der die Stärken des aus Minneapolis stammenden Musikers als klassischen Songwriter zeigt. Das Gegenstück zu "Gett Off", das sich mit eben diesem die Krone des besten "Diamonds And Pearls"-Songs teilt.
Verziert Gaines selbst die fadesten Ideen, lässt Tony M. selbst Songs, die ohne ihn gelungen wären, mit seinen übertriebenen "Peace" und "Yeahs" zeitweise ins Alberne kippen. "Strollin'" bietet schalsten Teehaus-Jazz. Es war noch nie eine gute Idee, Autohupen in Liedern unterzubringen. "Walk Don't Walk" bildet nicht die Ausnahme. (Sondern Grace Jones "Pull Up To The Bumper" und Madness' "Driving In My Car".) Der Rap-Track "Jughead" leidet zwar unter den deutlich in die Jahre gekommenen Rap-Parts, bietet darunter aber ein Funk-Brett deluxe. Wie gut der bis zu einem letzten Ächzen überladene Closer "Live 4 Love" hätte funktionieren können, zeigt die ebenso enthaltene "Live 4 Love (Early Version)".
Mit "Violet The Organ Grinder" und "Gangster Glam" gibt es bei den Bonus-Tracks gleich zu Beginn zwei weitere "Gett Off"-Variationen. Zudem finden sich nun die damals vom Album gekippten Stücke wieder ein, mit "Martika's Kitchen" und "Spirit" zwei Lieder, die Prince 1991 für das leider komplett untergegangene zweite Martika-Album "Martika's Kitchen" schrieb. Das wohl stärkste Stück dieser Zusammenarbeit "Love... Thy Will Be Done" befand sich bereits auf "Originals" und bleibt hier daher ärgerlicherweise außen vor. Das für Sheila E. geschriebene, aber nicht veröffentlichte "Alice Through The Looking Glass" spielt mit House-Elementen. "Glam Slam '91" bietet eine Mischung des "Lovesexy"-Stücks und "Gett Off". Hätte Prince die Idee des ungewöhnlich aggressiven Rock-Jams "Blood On The Sheets", basierend auf dem "Darkside"-Riff, weiter verfolgt, hätte daraus mehr als eine Grundlage für ein ausgiebiges Gitarrensolo werden können.
Wirklich aus der Masse sticht jedoch nur "My Tender Heart" heraus, das Rosie Gaines unter dem Namen "My Tender Love" für ihren damaligen Mann schrieb. Prince änderte lediglich etwas den Text. Letztlich erschien das Lied erst 1995 auf ihrem Solo-Album "Closer Than Close".
Insgesamt bergen die Bonus-Tracks zwar viel Interessantes, aber im Vergleich zu Deluxe-Editionen vorheriger Alben wenig, das auch für sich alleine stehen könnte. Zum Highlight steigt daher der druckvolle Konzertmitschnitt aus dem Glam Slam Nightclub am 11. Januar 1992 auf. Neben den "Diamond And Pearls"-Liedern, einigen wenigen Klassikern und dem mit Gaines als Duett gesungenem "Nothing Compares 2 U" befindet sich bereits das erst auf "Love Symbol" veröffentlichte "Sexy M.F." auf der Setlist, und jetzt: Gett Off, weil "if you want to, baby, here I am."
2 Kommentare
Übertrieben, überzogen - genau diesen comichaft überdrehten Stil erwartet man doch von einem Prince-Album, ebenso wie „schmierige Softpornomusik“. Und Features von Party-Rappern mit einfallslosen Namen wie Tony M. oder Heavy D waren damals Pflicht auf jedem amtlichen US-Hitalbum. 4/5 für das Original
Dieser Kommentar wurde vor einem Jahr durch den Autor entfernt.