laut.de-Kritik
Wo Elch und Braunbär Whisky trinken.
Review von Benjamin TrollWas soll man auch tun, wenn es - wie in Skandinavien - das halbe Jahr nicht hell wird? Trinken oder Songs schreiben, scheinen die Alternativen zu sein. Oder beides. Vielleicht war das auch die Grundlage für die Karriere der Heidi Solheim aus Tromsø/Norwegen (das ist wirklich weit oben). Mit ihrer Band Pristine verwöhnt die mittlerweile nach Oslo umgesiedelte Heidi seit Jahren die Bluesrock-Welt mit ihrer fantastischen Stimme und großartigen Bühnenpräsenz.
Mit "Road Back To Ruin" veröffentlichen Solheim und ihre Kollegen Ottar Tøllefsen, Gustav Eidsvik und Espen Jakobsen bereits Longplayer Nummer fünf, und der legt mit der ersten Single "Sinnerman" gleich mal gut los. Ordentliches Tempo, Ohrwurm-Chorus, Hammond-Solo, definitiv einer für die Autobahn. Der Titeltrack "Road Back To Ruin" kommt dann langsamer und mit einem schweren Riff daher, da stoned es sogar etwas. Erinnert im ersten Moment etwas an die früheren Rival Sons. Die blitzsaubere Backline bietet den passenden Thron für die Stimme von Heidi Solheim, die ihren Musikern aber stets genügend Raum lässt um selbst zu glänzen. Starker Beginn!
Auf "Bluebird" wird es dann etwas entspannter, ohne an Druck zu verlieren. Hier kehren Pristine ihre Blues-Wurzeln raus, inklusive Chor-Gesängen und ordentlich Southern-Feeling. Noch weiter in die Gefilde des Classic Rock bewegen sich Pristine auf "Landslide". Gitarrist Jakobsen schüttelt sich hier ein Riff aus den Fingern, bei dem Keith Richards sicher kurz die Kippe aus dem Gesicht gefallen wäre, wäre es ihm selbst eingefallen.
Heidi Solheim beweist hier wie auch beim nachfolgenden "Aurora Skies", dass sie eigentlich alles singen kann. Die Schönheit der titelgebenden Polarlichter gießen Pristine hier in eine sphärische Ballade. Zum Glück verkneifen sich die Norweger an dieser Stelle den so oft gehörten Ausbruch am Ende des Songs, sondern lassen den Hörer in aller Ruhe bis zum Ende weiter träumen.
"Pioneer" schaltet anschließend wieder direkt ein paar Gänge hoch, ein klassischer Rocker für Straße oder Stadion. Gegen Mitte der Scheibe fällt auf, dass Pristine in Sachen Songwriting einen großen Schritt nach vorne gemacht haben. Die Songs wirken differenzierter und durchdachter als noch auf dem Vorgängeralbum "Ninja". Kaum ein Detail ist zu viel und trotz der Vielseitigkeit der hörbaren Einflüsse wirkt doch alles wie aus einem Guss. Besonders auffällig wird dies auf dem melancholischen "Blind Spot", dessen Eindrücklichkeit auch bei sieben Minuten Länge nicht abreißt. Melancholie geht auch mit einem ordentlichen Southern-Rocker zusammen, wenn Heidi Solheim auf "The Sober" über Frustrationen und Ängste singt.
Dass Pristine sich nicht scheuen, aus ihrer Blues-Rock-Welt auszubrechen, beweisen sie auf "Cause And Effect". Die Ballade wurde mit Orchester aufgenommen und erinnert etwas an die leidenden Songs von Amy Winehouse. Das zurückhaltend beschwingte "Your Song" stellt einmal mehr die Heimat der Band im Blues heraus, und zeigt, dass Solheim und Co viel mehr sind, als einfach eine weitere Truppe auf der Retrorock-Welle. In ihr Kerngeschäft kehren Pristine mit dem finalen "Dead End" dann glücklicherweise auch noch mal zurück und beenden LP Nummer fünf mit ihrem persönlichen Ballroom Blitz.
Mit "Road Back To Ruin" stellen sich Pristine in die erste Reihe der skandinavischen Bluesrock-Elite. Die Einflüsse aus den vergangenen Tagen sind genauso deutlich hörbar wie die Energie einer grandiosen Liveband, der sich die Norweger jederzeit bedienen können. Retrorock-Alben wie dieses stehen und fallen immer mit der Eigenständigkeit und dem Charisma ihrer Frontfrauen und Frontmänner. In dieser Kategorie haben Pristine mit Heidi Solheim eine der ganz großen!
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