laut.de-Kritik

Als wäre die Bauhaus-Philosophie Musik geworden.

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Was haben die Mondlandung, Kohleminen in Südwales und Berlin gemein? Nichts. Absolut nichts. Also abseits der Arbeit von Public Service Broadcasting. Die englischen Art-Rocker haben allen drei ein Album gewidmet, konzeptualisiert in erschlagender Detailfülle. Für "The Race For Space" sind sie zwar nicht auf den Mond gezogen, für "Bright Magic" immerhin nach Berlin.

Genau das macht "Bright Magic" zu einem dunkel glitzernden Monolithen von Album. In ihm spiegeln sich endlose Versionen von "the Hauptstadt of Europe". Es klingt so hart wie deutsche Importworte im Englischen (hallo, Zeitgeist!) und so weich wie Anglizismen im Deutschen (hello, weird!). Es wandelt wie ein Somnabuler durch die Nacht, immer auf der Suche nach Licht. So stellt sich zumindest J. Willgoose Esq., der Kopf des Projekts seine Wahlheimat vor. Sie ist eine Stadt des düsteren, anziehenden Lichts.

Durch "Bright Magic" weht der Mief des eingemauerten West-Berlins. Eine Enklave, ein vergessenes Kind der Weltpolitik und dennoch ihr Mittelpunkt. Hierher kamen Nick Cave und David Bowie, Depeche Mode und Iggy Pop. Kreuzberg vor der Gentrifizierung, das Berghain vor dem Lonely Planet-Reiseführer. Das hypnotisierende "People, Let's Dance (ft. EERA)" fühlt sich an wie die Straßenbahnfahrt aus dem Club nach Hause. Die ersten Lichtstrahlen durchbrechen den kalten Morgenhimmel, im Ohr hängen immer noch sieben Stunden Techno, der ganze Körper klebt vor ekstatischem Schweiß.

Alles hier wirkt fremd und artifiziell, eine ungastliche Landschaft für die Menschheit. Diese Idee, von der menschenfeindlichen Welt, die doch menschgemacht ist, hält das Album zusammen. Hier treffen sich Fritz Langs Meisterwerk "Metropolis" und die 80er Si-Fi-Dystopie aus "Blade Runner". Der Mensch arbeitet an seinem eigenen Untergang, der Blick in die Zukunft erscheint mühselig und grausam.

All das findet seine Kulmination in "Der Rhythmus Der Maschinen (ft. Blixa Bargeld)". Wer sollte besser den Horror der Moderne vertonen als der Mann, der einst Musik als Schmerz verstand? PSB klingen wunderbar mechanisch nach Kraftwerk, während Bargeld ob der Selbstvergessenheit des Menschen klagt. Er sieht eine "Überstadt" des "neuen Menschen". Gebaut von "Ingenieuren". In ihnen spiegelt sich die Überheblichkeit, sie sind die Menschen hinter "Metropolis" und "Blade Runner". In ihrem Streben nach technischer Perfektion macht sich der Mensch der Maschine untertan, die ihn zermalmt in unendlicher Gier.

Sogar die Sprache als menschliche Kommunikation ist nicht mehr menschlich. Indem die Norwegerin EERA zwischen Englisch und einem fremdartigen Deutsch hin und her wechselt, wirkt keine Sprache mehr natürlich. Beides wird unwirklich, steif und unbrauchbar.

Genau diese Brechtsche Verfremdung fehlt "Blue Heaven (feat. Andreya Casablanca)". Casablancas Deutsch ist rein, verständlich, ihre Zeilen auf Englisch ebenso. Dazu servieren PSB wunderbar scheppernden, hyperventilierenden New Wave, es sollte ein großer Song sein. Aber es ist eben auch ein Song, der auf keine größere Idee verweist. Ihn durchschwebt klebrig-süße Melancholie, Casablanca wird zu Marlene Dietrich, die Goldenen Zwanziger führen einen lieblichen Tanz auf. In aller kantigen Fremdheit auf "Bright Magic" wird ausgerechnet das Vertraute zum Fremdkörper.

Dann doch lieber die drei Lichtspiele. Hier scheint Berlin zu ruhen. Die Musik tastet sich hervor wie zarte Sonnenstrahlen um Gebäude herum. Als wäre die Bauhaus-Philosophie Musik geworden, in all ihrer klinischen Reinheit und Raffinesse.

Trackliste

  1. 1. Der Sumpf (Sinfonie Der Großstadt)
  2. 2. Im Licht
  3. 3. Der Rhythmus Der Maschinen (ft. Blixa Bargeld)
  4. 4. People, Let's Dance (ft. EERA)
  5. 5. Blue Heaven (feat. Andreya Casablanca)
  6. 6. Gib Mir Das Licht (feat. EERA)
  7. 7. The Visitor
  8. 8. Lichtspiel I: Opus
  9. 9. Lichtspiel II: Schwarz Weiss Grau
  10. 10. Lichtspiel III: Symphonie Diagonale
  11. 11. Ich Und Die Stadt (feat. Nina Hoss)

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