laut.de-Kritik
Die Devise: Bloß keinem wehtun.
Review von Kai ButterweckJohannes Strate ist ein guter Sänger. Der Revolverheld-Frontmann hat dieses näselnde Flair. Ähnlich wie Brian Fallon zieht er die Töne immer wieder in die Höhe. Der limitierte Grund-Vibe seines Organs hat so keine Langeweile zur Folge. Strate besitzt eine Stimme, die förmlich nach einem rotzigen Background schreit.
Der Bremer unter den Hamburgern sieht das allerdings anders. Statt sein Timbre in den Dienst des kantigen Garagen-Rock'n'Rolls zu stellen, vergeudet der Sänger sein Talent lieber im aufgesetzten Pop-Rock-Kalkül-Zirkus. Wirklich schade drum. Auch anno 2013 heißt die Revolverheld-Devise wieder einmal: Bloß keinem wehtun.
Zwar merkt man der Band vor allem inhaltlich einen hinter sich gebrachten Reifeprozess an, doch behalten aufrichtige Zeilen über Selbstzweifel, Ängste und Hoffnungen nur wenig Wert, wenn sich im Hintergrund reichlich Massenware von der Stange stapelt. So lassen exzessive Ohohoho- und Shalala-Chöre Erinnerungen verblassen ("Das Kann Uns Keiner Nehmen") und mitgenommene Sommergefühle aus dem hohen Norden zu Eis erstarren ("Sommer In Schweden").
Revolverheld scheitern mit ihrem neuen Album wieder einmal am Balanceakt zwischen Bravo-Bühne und versifftem Hinterhof-Podest. Haben Songs wie "Immer In Bewegung" und "Wir Schmeissen Unsere Herzen Ins Feuer" den Rock-Button verdient, nur weil sich das ansonsten gemächliche Grundtempo des Schaffens urplötzlich verdoppelt? Nein.
Wozu hat man eigentlich zwei Gitarristen in der Band, wenn keiner der beiden es wagt, den Gain-Regler am Amp zu bedienen? Auch mit dem dritten "Rocker" des Albums "Hinter Der Elbe New York" bleibt die Band eine Antwort darauf schuldig. Stattdessen dümpelt die Belegschaft im angecrunchten Schwiergermutter-Modus vor sich hin, während im Hintergrund neumodische Hall- und Strings-Effekte im Dreieck springen.
Belanglose Allerwelts-Füller wie "Lass Uns Gehen" oder "Aufhören Mich Zu Verlieren", eingemummelt in der wärmenden Fleece-Decke des Hitlisten-Pop, sowie schmachtende Tissue-Verteiler wie "Deine Nähe Tut Mir Weh" und "Worte Die Bleiben" übernehmen letztlich das Ruder auf einer Fahrt in sichere Gewässer. Kann den Jungs nicht irgendeiner verraten, dass eine Tour auf hohe See erst dann beginnt so richtig Spaß zu machen, wenn brausende Wellen an die Bordseiten klatschen?
15 Kommentare mit 27 Antworten
Und jetzt alle!
Oohoohoo...
Richtig, das neue RH-Album ist alles andere als bahnbrechend. Trotzdem immer wieder überraschend, was die Jungs live aus den Nummern herausholen. Meiner Meinung nach eine der besten deutschen Live-Bands. Da ist der Ärger umso größer, wenn sie auf der Platte nicht überzeugen. "In Farbe" war wenigstens experimentell ein Schritt in die richtige Richtung. Mit "Immer in Bewegung" geht's getreu dem Titel wieder zwei zurück. Schade
Ich bin überrascht, wieviele Sachen ich doch von denen kenne.
Ps. Und ich finde es etwas bedenklich, dass du weißt über welche Bands ich schon etwas geschrieben habe. Wenn du die nicht magst, warum ließt du dann noch die Kritiken, über deren Alben?
Auf der Hauptseite unten rechts gibts ne "Zuletzt kommentiert"-Leiste. Wenn da jemand mit dem schönen Username Revolverheldin 206 (so wenig gibts davon?) seichte Deutschpop-Alben kommentiert, kommt der geneigte User halt mal gern auf ne Runde Stänkern vorbei.
Wenn du sonst keine Hobbys hast... Ich mache jetzt Schluss. Habe noch etwas anderes vor.
Lalalala-lala-lass mich nicht los!
http://www.youtube.com/watch?v=9Ocyk0OgyWY
Was soll das jetzt?
@flintenweib
nennt sich balzritual
Was darf ich darunter verstehen?
z.B. sowas
https://www.youtube.com/watch?v=WR_KqWzx_sU
hier wird es aber nochmals etwa umfassender erklärt :
http://de.wikipedia.org/wiki/Balz
ich weiß was das Balzritual ist, aber was willst du mir damit sagen?
er will dich halt flachlegen menschenskind.
vorsicht cafi,von ihren aussagen her, greift bei ihr noch der jugendschutz.
ich will sie nicht knallen.
Wunderbar! Die Verrrisse auf Laut.de machen Spaß. Was soll man auch schreiben über solche Pop-Weichspüler...?
Man fragt sich ehrlich, welche Gedanken die Mitglieder von Revolverheld beim Songwriting zu "Lass uns geh'n" ausgetauscht haben.
War es ein "Hey, lass ein modernes Abenteuerland schreiben, das wirklich rockig ist!" oder eher ein "Boah, diese Musikindustrie ist sowas von beschissen, genau so wie alle Funktionäre um uns herum und erst recht diese dämlich, kritischen Fans, lass uns daher was gesellschaftskritisches machen!"?
Oder war es vielleicht Letzteres mit der Abwandlung "(...) lass uns daher was machen, das so dermaßen beknackt ist, wobei die Leute ihre eigenen Zehennägel beim Autofahren direkt ins Auge verpasst bekommen, sodass die A3 mal wieder komplett dicht ist und unser inhaltlich unkorrektes Vers-Rhyming direkt zu spürbaren (Alltags-)Schmerzen führen wird!"?
Doch zunächst zum Grundproblem:
"Hallo, hallo
bist du auch so gelangweilt
Genervt und gestresst von der Enge der Stadt?
Bist du nicht auch längst schon müde der Straßen
Der Menschen, der Massen? Hast du das nicht satt?"
Notiertes Plus: durchaus ein Vortrag ohne Vorwürfe, ohne nervige soziologische Terminologie, aber trotzdem differenziert, ohne wirkliche Widersprüchlichkeit: "Gelangweilt (...), genervt, gestresst".
Nur das Individuum, dem Alles zu viel ist, das mit sich ist. Die anderen dürfen ihr Leben gerne weiterleben, aber Ich bin mal raus:
"Lass uns hier raus
Hinter Hamburg, Berlin oder Köln
Hört der Regen auf Straßen zu füll'n
Hör'n wir endlich mal wieder das Meer und die Well'n
Lass uns geh'n, lass uns geh'n, lass uns geh'n"
Das "uns" sehe ich hier gar nicht als eine Aufforderung ans Kollektiv, sondern ein "uns" an die verbundene Person. Viel mehr eine Bestärkung des Ich's, wenn ihr versteht. Es hat einen Begleiter. Aber es spricht im Prinzip zu sich selbst, der Begleiter hört mit und wird gerettet ("Zwischen den Zeilen hab ich gelesen, dass wir beide weg von hier woll'n").
Wirkliches Glück lässt sich oft sowieso am Besten mit wenigen Personen teilen und auch erleben.
Dass der Rhein (Achtung: NICHT der Reim!) bis Rotterdam fließt, musste zu Gunsten des Reimschemas mal eben über Bord geworfen werden - daher auch meine Eingangsaggression.
Macht aber nichts, nachts um 3 ist selbige Autobahn dann auch mal kurz eine Solche, sodass der Weg nicht das Ziel bleibt.
Kleine Rüffel gibt's von mir aber trotzdem:
Seit wann gibt es ein Übermaß an flackernden Lichtern in Städten, sodass man diesen eigentlich nicht existenten Sachverhalt lyrisch verarbeiten müsste? Sind Städte nicht bekannt dafür, dass Lichter beständig funktionieren müssen, weil eben strukturell nach oben gebaut werden muss?
Und gibt es nicht eine Stadt, die ihr in eurer Aufzählung vergessen habt, die, nach eurer Beschreibung, exakt die Kriterien der Widrigkeiten des modernen Lebens verkörpert und ebenfalls nur knapp unter 2 Stunden vom Nord-Hessischen Binnen-Meer entfernt ist?
Wenn selbst das Lyrische Ich schon explizit moniert, dass es zwischen den Zeilen lesen muss, dann doch bitte an besagten Stellen nochmal kurz Hinweise geben, was eure Gedankengänge gewesen sind.
Ansonsten bewegt man halt am Ende mit dem Song dann doch mehr Menschen zum Nachdenken als ein Welzer.
In Hamburg, Berlin oder Köln flackern die Lichter bei der dort oftmals hausender Bagage freilich nicht zu knapp.