laut.de-Kritik
Der Oasis-Buddy bleibt seiner The Verve-Vergangenheit treu.
Review von Alexander KrollGäbe es einen Musikpreis für den besten sample-basierten Albumstart, hätte Richard Ashcroft ihn längst gewonnen. Mit vier Takten aus einer Orchesterversion des Rolling Stones-Klassikers "The Last Time" gelang "Bittersweet Symphony" 1997 eine genre-überschreitende Wall of Sound – und das perfekte Intro zu "Urban Hymns", dem Britpop-Meisterwerk von Ashcrofts damaliger Band The Verve. Doch weil die Lizenz für das Sample damals nicht ausreichte, verlor der Musiker aus der Industriestadt Wigan alle Urheberrechte. Erst 2019 überschrieben ihm Mick Jagger und Keith Richards die Songwriting-Credits.
28 Jahre nach "Bittersweet Symphony" erscheint Richard Ashcrofts mittlerweile siebtes Soloalbum pünktlich zu seinen Supportshows für Oasis und ebenfalls mit einem Stück, das um ein einziges Sample kreist. Bei "Lover", das auch als erste Single veröffentlich wurde, droht zum Glück kein Rechtsstreit. "Ich finde es toll, wie er meinen Song verwendet hat, und ich liebe seinen Song", erklärt die britische Singer-Songwriterin Joan Armatrading, die das gesampelte Stück "Love And Affection" 1976 veröffentlichte. Preisverdächtig klingt das Ergebnis diesmal allerdings auch nicht. Während die existenzielle Hymne "Bittersweet Symphony" eine Vielzahl von Perspektiven eröffnete, dreht sich "Lover" vor allem um sich selbst.
Von der subtilen Folk-R&B-Dramaturgie des Armatrading-Originals bleibt nur eine Hook übrig, die viel lautere, druckvollere Streicher, Beats und Bässe überlagern. Als würde das nicht ausreichen, nutzt Ashcroft das Sample für merkwürdige Rap-Einlagen. Nach "Yeah, yeah, yeah, oh, oh, oh" werden die Lyrics kaum besser. "It's like lover, oh yeah, I'm the chillest type" – es entsteht ein Hybrid-Track, der sich stärker an Eurodance als an Madchester orientiert.
Zu allem Überfluss wiederholt auch die zweite Singleauskopplung "Lovin' You" das chaotische Sampling-Muster. Aus dem Instrumentalstück "Classical Gas" (1968) des klassischen US-Gitarristen Mason Williams schält sich ein überkandidelter Dance-Track heraus, dem Ashcroft trotz allem immer wieder das Label "This is amazing" anheftet. "Rock'n'Roll muss Dance-Musik einbeziehen, alles einbeziehen, was wir wollen, um eine neue Art von Musik zu erschaffen", forderte er 1997 in der MTV-Doku "Northern Souls". In "I'm A Rebel" klappt das besser: Mit Falsettstimme bewegt sich der Sänger durch ein kompaktes Disco-Gerüst des französischen DJs und Musikproduzenten Mirwais, der Anfang der 2000er bei mehreren Madonna-Hits mitgeholfen hat.
Neben den beatlastigen Experimenten, bleibt Ashcroft im Kern seinen Akustikballaden treu. Selbst wenn er das hohe Niveau der Verve-Stücke abermals nicht erreicht, finden sich gute Ansätze. Trotz kleiner Glättungen und Sentimentalitäten (ganz vorne dabei: "Oh L'amour"), setzt der 54-Jährige sein spirituelles, hoffnungsvolles Songwriting mit unverwechselbarer Stimme und einem reiferen Fokus fort. "Find Another Reason" spannt einen weiten fünfeinhalbminütigen Bogen von einem meditativen Vortrag ("If all of this energy / A neverending symphony / Echoing in time) hin zu einer träumerischen Klangweite. "Live With Hope" steigert sich zu einem Gospel-Rock-Chorus, der von den Stones sein könnte (und hoffentlich keinen neuen Rechtsstreit auslöst).
"Out Of These Blues" erstrahlt als hinreißende Americana-Ballade. Ganz nah, ganz klar klingen Ashcrofts Stimme und die Steel Guitar. Als hätte hier Rick Rubin, der Meister der reduzierten Produktion, seine Finger im Spiel gehabt. Noch pointierter ist nur das Finale. Allein von einer Akustikgitarre begleitet, nähert sich "Fly To The Sun" tatsächlich den Höhen von "Urban Hymns". Kein Wunder: Geschrieben wurde das Lied vor etwa dreißig Jahren.
1 Kommentar
Purer Scheißdreck, natürlich.