laut.de-Kritik
Statt The Verve reloaded meist nur halbgare ESC-Ware.
Review von Sebastian Berlich"Hold On" bringt das Dilemma dieses Albums präzise auf den Punkt: Richard Ashcroft setzt auf Durchhalteparolen, unterlegt diese mit nach Bedeutung ringenden Streichern, die jedoch gnadenlos gegen den plumpen 4-To-The-Floor-Beat und die Vocoder-Vocals des Refrains verlieren. Wie übel es ausgehen kann, wenn sich Rock-Frontmänner aus ihrer Komfortzone wagen und nach dem Zeitgeist suchen, hat spätestens Chris Cornell mit dem von Timbaland produzierten "Scream" bewiesen. Eine Mahnmal-Funktion hat dieses Experiment scheinbar immer noch nicht erreicht.
Wobei man "These People" nicht gerecht wird, kanzelt man es als reine Anbiederung an den Zeitgeist ab. Mindestens ebenso stark im Vordergrund steht die Wiedervereinigung mit Wil Malone, der bereits für The Verve und Ashcrofts Debüt Streicherarrangements bereit stellte. Das führt zu einer seltsamen Hybridität des Albums: Einerseits möchte der Künstler experimentieren, mit elektronischen Einsprengseln arbeiten, andererseits aber auch an das Erbe seiner Band anknüpfen.
Manchen Musikern gelingen derartige Gratwanderungen. Ashcroft merkt man jedoch an, dass er offenbar gar kein Gespür für (zeitgemäße) Sounds hat, es sich aber dennoch nicht nehmen ließ, "These People" größtenteils in seinem Heimstudio zu produzieren. Dementsprechend klingen etliche Beats nach Presets, flach und billig. Alleine daran scheitert bereits der Versuch, mit "Out Of My Body" einen clubtauglichen Song an den Anfang des Albums zu setzen.
Die Idee ist gut, doch alleine der schwachbrüstige Beat und die dudelige Synthie-Melodie lassen den Versuch scheitern. Gemeinsam mit Ashcrofts hölzernem Vortrag erinnert der Song stark an einen mittelmäßigen ESC-Beitrag. Noch fragwürdiger ist die Platzierung zu Beginn, da das Stück keinesfalls repräsentativ für das folgende Album ist. Meist siedeln sich die Stücke irgendwo im Midtempo an und geraten dabei auch mal ein wenig zu schunkelig. Im Fall der Single "This Is How It Feels" geht dieses Konzept auf, während der Titeltrack zumindest in der Strophe nach einer schwachen "Father And Son"-Imitation klingt, ohne jedoch an dessen Charme heranzureichen.
"These People" gelingt immer dann, wenn Ashcroft bereit ist, sich voll in Malones Streicher hineinzuwerfen und damit unverhohlen in Richtung The Verve zu blicken. Natürlich bedient sich das elegische "They Don't Own Me" an "Lucky Man" und trägt ziemlich dick auf, dennoch zeigt der Song seinen Star in Bestform. Immerhin steht er hier konsequent zu einer klanglichen Entscheidung.
Doch selbst die im Grunde gelungene Trauerverarbeitung "Black Lines" verzettelt sich in seinem unspektakulären Arrangement, zumal an eben diesen Stellen zu Tage tritt, wie unspektakulär sich Ashcrofts Texte an Phrasen abarbeiten. Selten gelingt es ihm, über solides Mittelmaß hinweg zu kommen und wirklich zu euphorisieren. Da geht es schon als Grund zur Freude durch, wenn die leichten House-Einflüsse im groovenden "Everybody Needs Someone To Hurt" keine beschämende Wirkung entfalten, sondern solide ihren Zweck erfüllen.
"These People" hat weder zu Richard Ashcrofts Vermächtnis, noch zur aktuellen Musikszene etwas Entscheidendes beizutragen. So gut der transparente, glatte Klang auch zu seiner neuen Kurzhaarfrisur passt, so müde wirken die Versuche, sich noch mal neu zu erfinden.
2 Kommentare mit einer Antwort
Der erste Song ist in der Tat etwas merkwürdig, der Rest des Albums jedoch Ashcroft wie gewohnt ... insofern kann ich dem Review nicht zustimmen. Fans bekommen, was sie erwarten. Der Rest soll halt weghören.
kann ich nur zustimmen. jetzt schon öfter reingehört. Ashcroft ist Ashcroft und das ist gut so
Ist doch sehr angenehme Popmusik zum zwischen durch hören, mir fällt kaum ein ESC Song ein der je dieses Niveau erreicht hätte, komischer und unpassender Vergleich.