laut.de-Kritik
Der Matchbox Twenty-Fronter geht in die Offensive.
Review von Yan VogelZahlreiche Platinscheiben im Regal und Kollaborationen mit altgedienten Helden wie Santana wecken Erwartungen im großen Stile - von Fans und Plattenfirmen. Um diesem Dilemma zu entgehen setzt Rob Thomas auf Offensive. Kontrolliert zwar und immer mit Fokus auf dem perfekten Popsong, jedoch stilistisch und musikalisch ausgefeilt.
Thomas thematisiert die sich widersprechenden Erwartungen musikalisch und hebt den hybriden Charakter eines jeden Songs hervor. Das mächtig stampfende "Give Me The Meltdown" erhält Antrieb von einem funky-Gitarrenriff. "Mockingbird" erinnert an "How Far We've Come" von Thomas' Stammband, mit gedrosseltem Tempo und mehr elektronischen Spielereien. Sommer -Sonne-Palmen-Flair versprüht "Hard On You", dessen melodischer Gestus stark an Neil Youngs "Heart Of Gold" erinnert. Das auf einem hypnotischen Bassriffs basierende "Natural" sucht die textliche Auseinandersetzung mit einer sinnentleerten Welt.
"Cradlesong" und "Someday" bieten sich als gospel-getragener Seelenwärmer an, der effektvolle Big Band-Rocker "Wonderful" erinnert an Deutschlands Eurovisions-Waterloo, richtige Ausfälle gibt es eigentlich nur mit "Gasoline" und "Real World 09" zu vermelden. Bei Ersterem schießt der Sänger mit der Textzeile "Well I Tried So Hard To Give You What You Need, And It Burned Like Gasoline" und billigen Technosounds übers Ziel hinaus. "Real World 09", eine Neuauflage eines Matchbox Twenty Songs, langweilt als schnöder Anfang-90er-Pop.
Die Musiker an der Seite des Matchbox Twenty-Fronters, darunter illustre Namen wie die Schlagzeug-Kurtisane Abe Laboriel Jr., Gitarrist Tom Bukovac, Bassist Jack Daley, erfüllen nicht nur plump die Vorgaben. Ihr eigener Stil scheint immer durch, und es macht richtig Spaß, sich in den aufwändigen und durchdachten Einzelspuren zu verlieren. Über allem thront die perfekte Produktion von Matt Serletic und der unglaublich glasklare und effektvolle Mix von Chris Lord-Alge. Selbst nach dem zehnten Durchlauf gibt es noch Kleinigkeiten zu entdecken. Was einen erheblichen Reiz dieser Scheibe ausmacht.
Textlich bewegt sich Thomas in der Schnittstelle zwischen Hoffnung und Niedergeschlagenheit. Dabei liegt der Hauptakzent auf poppigen Arrangements und weniger auf einer programmatischen Ausleuchtung der entsprechenden Gefühlslage, was oft eine Über-Stilisierung eines bestimmten Ausdrucks zur Folge hat: Leidenschaftlichkeit wirkt oft wie hysterischer Überschwang, Trauer wie der Weltuntergang. Rob Thomas ist somit einer der Musiker, die mit ihrem Namen Pate für eine nahezu übermächtige Fremdinszenierung stehen und gleichzeitig den Stellenwert von Produktion und Mix zementieren.
2 Kommentare
Das Cover ist ja gruselig, aber weil ich in meinen frühen Jugendjahren Matchbox Twenty sehr gern mochte, werd ich auf jeden Fall mal reinhören.
Matchbox Twenty war schon irgendwie immer mehr so Radio-Hintergrund-Gedudel,auch wenn ich "Unwell" früher ziemlich gern gehört hab.
Dem guten Rob allein konnt ich allerdings von Anfang an nichts abgewinnen. Belanglos und fad, egal mit wem er grad kollaboriert hat.