laut.de-Kritik
Zeitlose Folk- und Country-Musik aus Houston, Texas.
Review von Giuliano BenassiRobert Ellis zeitlich festzunageln ist schwierig. Mit seinen langen Haaren und dem Retro-Cover seines vorliegenden Albums könnte er problemlos aus den 1960 oder -70er Jahren stammen. Mit seiner Musik verhält es sich ebenso.
Seine Sporen hat sich Ellis in einer Bar in Houston verdient, in der er jeden Mittwoch zwei Jahre lang mit einer Begleitband aufgetreten ist. "Wir wollen laute Honky Tonk-Musik spielen, bei der irgendwann alle besoffen sind", erklärte er zu jenem Zeitpunkt. Doch davon ist in den ersten Stücken nichts zu hören. Von einer gezupften Akustikgitarre begleitet, erzählt er mit ruhiger, klarer Stimme von Herzschmerz und Existenzängsten.
"Photographs" ist wie eine Vinyl-Platte in eine folkige A- und eine countrylastige B-Seite aufgeteilt. Auf Seite A erinnert Ellis stimmlich stellenweise an Devendra Banhart, wobei er sich an der Gitarre an anspruchvolleren Vorbildern wie Nick Drake orientiert. Auf den eher fröhlich anmutenden Opener folgen die nachdenklicheren "Bamboo" und "Cemetery", letzteres mit dezenter Streicherbegleitung.
Auf Seite B hat Willie Nelson deutliche Spuren hinterlassen, sowohl im nasalen Gesang als auch in den Arrangements. Das gilt sowohl für die Uptempo-Nummern "Comin' Home" und "No Fun" als für die nahezu schnulzigen "What's In It For Me", "I'll Never Give Up On You" und dem abschließenden Titeltrack. "No Fun" zeigt, dass Ellis auch mal ironisch sein kann. "Liebling, wenn du mich jemals betrügst, drücke ich dir die Augen ein und trample auf deinen Füßen rum, singt er mit aufgesetztem Akzent.
Keine Keyboards, keine Zugeständnisse an zeitgenössische Kollegen, keine Experimente. Dabei ist der gebürtige Texaner 1989 auf die Welt gekommen und erst seit 2009 musikalisch aktiv. So gesehen ist ihm mit "Photographs" ein erstaunliches, vielseitiges und zeitloses Debüt gelungen.
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