laut.de-Kritik

Why can't you be like everyone else and play the hits?

Review von

Es klingt schon unwirklich, wenn man es nur niederschreibt: Grant McLennan ist bald 20 Jahre tot. Um sich die künstlerischen Folgen dieses tragischen Vorfalls für seinen Partner Robert Forster vollumfänglich bewusst zu machen, ist ein wenig Mühe erforderlich. Man muss dazu eintauchen in die reiche Go-Betweens-Historie der beiden Songwriter, um zu erkennen, dass der kleine Mann mit der Basecap das Yin war zum Yang des Anzugträgers Forster.

McLennan war der Träumer, Forster der Realist, der Mann von der Straße und die Diva, hier ein Komponist mit Zug zum Pop, dort ein knorriger Lou Reed-Fan. Kurz: McLennan war bei den Go-Betweens der McCartney, Forster war Lennon. Zu Weltruhm hat's trotzdem nicht gereicht, aber als diese symbiotische musikalische Beziehung zuletzt auf drei üppig bestückten Boxsets namens "G Stands For Go-Betweens" nochmals ausgebreitet wurde, durfte das Label schon nach kurzer Zeit auf "sold out" stellen.

Seit McLennans Tod jedenfalls veröffentlichte Forster einige angenehme, oft wunderschöne, stets knorrige Soloalben. Ich führe das alles noch einmal aus, weil "Strawberries" nun mit einem Song beginnt, auf den Go-Betweens-Fans vermutlich seit der schlimmen Meldung aus Brisbane im Jahr 2006 gewartet haben.

"Tell It Back To Me" ist voll mit dem melodiösen Melancholie-Furor des Go-Betweens-Abschlusswerks "Oceans Apart" und das hat seinen Grund: Erstmals versammelte Forster wieder eine richtige Band um sich und reiste dafür extra nach Stockholm, wo ausgewiesene Fans seiner Kunst warteten. Mithilfe von Produzent Peter Morén, dem im Gegensatz zu Forster als Teil von Peter, Bjorn & John mit "Young Folks" der eine weltumspannende Indie-Pop-Hit gelungen ist, nähert sich der Australier hier den Großtaten der eigenen Vergangenheit.

Auch im weiteren Verlauf prägt "Strawberries" ein voller Bandsound, jedes Instrument im Bewusstsein austariert, dass die nach wie vor charakterstarke Stimme Forsters die Dominanz behält. Die Mundharmonika sorgt für zahlreiche Dylan-Momente, die man so von Forster aber eh kennt. Dennoch entfernt sich der 67-Jährige nun vom reduzierten Unplugged-Charakter des Vorgängeralbums und schrieb erstmals aus einer distanzierteren Perspektive. Songs als Charakterstudien.

Eine derart knisternde Bedrohlichkeit wie in "All Of The Time" suchte man im Forster-Kanon bisher vergeblich. Wie variabel er seine Stimme einsetzt, ist eine einzige Freude, manche Zeile birgt wieder Tattoo-Potenzial: "There's propaganda and there's truth / And there's a feeling that I get when I'm with you." Auch der Roxy Music-Swagger steht Forster ausgezeichnet.

Ins Zentrum der Platte setzt er das achtminütige "Breakfast On The Train", in dem es um zwei Schulfreunde geht, die sich nach vielen Jahren zufällig in einer Bar treffen und gemeinsam im Bett landen. Das gefällt nicht jedem, die Rezeption hält Einzug in die Geschichte und Forster sieht sich gar gezwungen, erstmals in einem Song das Wort "Fuck" unterzubringen - selbstverständlich nicht im erwartbaren Kontext. Es ist ein Song, den man musikalisch von ihm auf gewisse Weise schon kennt, die Story macht allerdings Lust auf sein nahendes Romandebüt.

Mit Ehefrau Karin, deren Krebs-Erkrankung und Gesundung sein letztes Album vollständig vereinnahmte, leistet sich Forster im Titeltrack "Strawberries" einen kleinen persönlichen Schlenker und sinniert über verbotene Früchte, Jugend und Alter, Vergangenheit und Jetzt. Als Symbol für Reichtum dient den Forsters, so erfahren wir, nicht etwa Schmuck, sondern ein Gemälde des Australiers Brett Whiteley.

"Such A Shame" ist selbstverständlich keine Talk Talk-Coverversion, taucht dafür lyrisch ab in die bekannte Welt des Rock'n'Roll, in dem auch Forsters Sohn Louis zuhause ist oder war (Ex-Goon Sax), der hier die Leadgitarre übernimmt. Auch hier dürfte nochmal so einiges biografischer Natur sein, vor allem folgende Zeile: "My agent used to tell me 'You give people the shits' / Why can't you be like everyone else and play the hits?" Um eine Antwort ist Forster auch hier nicht verlegen.

Das Folk-Juwel "Foolish I Know" samt waidwundem Sopransaxofon behandelt das unerwiderte Verlangen eines schwulen Mannes zu einem heterosexuellen Mann, das Forster mit rührender Verve vorträgt. Mit Anklängen an Van Morrison zu "Moondance"-Zeiten beginnt "Diamonds", bevor Forster im Refrain eskaliert und gar von irgendwoher eine Falsettstimme holt. Ein starker Abgang für einen der - Achtung Wiederholung - unterschätztesten Songwriter unserer Zeit. Gehet hin zu seinen Messen und leset von seinen Lippen: Die Erdbeerverkostung findet ausnahmsweise im Herbst statt, in acht Städten in Deutschland und Österreich.

Trackliste

  1. 1. Tell It Back To Me
  2. 2. Good To Cry
  3. 3. Breakfast On The Train
  4. 4. Strawberries
  5. 5. All Of The Time
  6. 6. Such A Shame
  7. 7. Foolish I Know
  8. 8. Diamonds

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