laut.de-Kritik
Malen nach Zahlen mit großen Farben.
Review von Franz MauererRyan Adams, die 18.: "Big Colors", das Werk mit dem unzweifelhaft schwierigsten Veröffentlichungsverlauf im Oeuvre des Amerikaners. Zunächst als erster Teil einer Trilogie angekündigt, kommen diverse Vorwürfe von Ex-Freundinnen dazwischen. Nachdem juristisch nichts an ihm hängenblieb, ordnete er die Trilogie neu, fing mit dem tollen "Wednesdays" an und setzt den Stil mit "Big Colors" aber nicht fort.
Der Opener und Titelsong "Big Colors" täuscht einen zunächst gekonnt, denn musikalisch ist das ein typischer "Prisoner"-Phase-Song, mithin also sehr gelungener Americana mit Drive. Textlich hätte sich das optimistisch-trotzige Stück aber nicht auf einen der verbitterten Vorgänger verirrt. Der erste Umbruch setzt dann mit dem flotten "Do Not Disturb" ein. Der Song fällt dunkler aus und erinnert mit seinem Beat an den jüngeren Output von Mark Lanegan. Leider bleibt das exzellente Lied eine stilistische Ausnahme, denn Songs wie das schon länger bekannte "Fuck The Rain" geben auf "Big Colors" eigentlich den Ton an, mithin Power-Pop. Das muss nichts Schlechtes sein, Ryan hat hinlänglich bewiesen, dass er diese Spielrichtung meisterhaft beherrscht.
Nur auf "Big Colors" tut er es halt nicht. Dafür sind Songs wie "It's So Quiet, It's Loud" und "Manchester", schöner Refrain hin, schöner Refrain her, zu gemütlich. Denn auch wenn Adams trotz zahlreicher Alben immer noch zur jüngeren Garde zählt, muss die Musik zum Mann passen. Und die Pop-Tage dieses Mannes scheinen gezählt, vieles fühlt sich hier kalt und berechnend an. Dank des Veröffentlichungsgewirres und Änderungen an angekündigten Tracklists weiß man mehr nicht wirklich, wann was entstand. Aber diese poppigere Interpretation seiner Formel löst sich gefühlt eben nicht von den spektakulären Americana-Alben der letzten Zeit, sondern versucht etwas Richtung Pop hinzubiegen, was schon längst seiner eigenen, interessanteren Fährte folgen will.
Songs wie der uninspirierte Rockabilly "Power" scheinen Adams Versuch zu sein, aus der eigenen Midtempo-Americana-Songwriter-Falle mit Gewalt auszubrechen, da der große Poprocksong eben gerade nicht in ihm steckt. Es gibt auch gelungenere Ausbrüche aus dem Käfig, wie den Springsteen-AOR von "I Surrender". Das bleibt übrigens die einzige Gitarrenhochleistung auf den von Adams als 'Gitarrenalbum' deklarierten Werk, das erneut vom eingespielten Team Beatriz Artola und Don Was mitgeschrieben und co-produziert wurde. Das akustische "What Am I" hat für eine spartanische Selbstbetrachtung zwar zu viel Streicher auf den Rippen, ist aber immer noch eine gute Abwechslung. Viel mehr noch trifft das auf das schön Spannung aufbauende, musikalisch gelungene "In It For The Pleasure" zu. Den Schunkler "Showtime" kann man getrost vergessen, hier regieren die billigen Keyboardgeiger.
Der Künstler bezeichnete "Big Colors" als Soundtrack zu einem fiktiven 84er-Film. Leider bedeutet das für ihn wohl zuvorderst Cheesyness, denn die Lyrics lassen bedeutend nach. Das Album fühlt sich textlich an wie Auftragsarbeit, "Big Colors" verströmt flache Zustandsromantik. Das 'Armer Rockstar#-Thema nudelt Adams wie gehabt routiniert rauf und runter, aber das funktioniert halt nur, wenn es als Ergebnis einer erbarmungslosen Nabelschau aus allen Poren gleichzeitig tropft. Mit Texten wie "So come on baby, let’s just run/ The car’s waiting outside/ Let’s burn a hole into the middle of the line" ("Middle Of The Line") wirkt das ewig Trotzige des Wuschelkopfes eher kindlich. Von der wirklich krassen Wahl eines einer Liebhaberin Schlampigkeit unterstellenden "In It For The Pleasure" angesichts der von ihm selbst halbgar eingeräumten Vorwürfe ganz zu schweigen.
Den Abschluss der Scheibe gibt "Summer Rain", einer der besten Songs des Albums, der nach vorne rockt und sich weniger mit drumherum aufhält, hier kommen Adams Allzeitheld Petty und die 80er tatsächlich durch. Das Album hört mit Sommerregensound auf. Vermutlich ist es wie das Cover im Kitsch ersoffen. Schlecht ist "Big Colors" keineswegs, fraglich, ob Adams zu diesem Zeitpunkt seines Lebens überhaupt schlechte Lieder schreiben könnte. Aber sein Katalog gibt Besseres her - "Big Colors" wird eine Fußnote bleiben.
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