laut.de-Kritik

Vom Oscar-Erfolg mit "Crazy Heart" zum eigenen Label.

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Erfolg ist ein zweischneidiges Schwert. 2010 stand Ryan Bingham plötzlich im Rampenlicht. Mit seinem Lied "The Weary Kind" gewann er den Oscar für den besten Song (der Film war "Crazy Heart" mit Jeff Bridges als alterndem Countrystar in der Hauptrolle) plus einer ganzen Latte an weiteren Preisen. Vom Nobody wurde er zum Star und das praktisch über Nacht.

Ein Patentrezept, wie man mit so etwas umgeht, gibt es nicht. Sicherlich wäre es am einfachsten gewesen, so weiter zu machen. Ein bisschen schauspielern (eine Nebenrolle in "Crazy Heart" hatte er ja schon), regelmäßig ein neues Album veröffentlichen, das hätte gut gehen können. In der Tat ließ Bingham die Nachfolgeplatte "Junky Star" (2010) von T Bone Burnett produzieren und erreichte damit die Top 20 der US-Charts, für eine Country-Platte ein ziemlicher Erfolg.

Doch dann folgte der Bruch. Weg vom großen Label (Lost Highway, ein Ableger von Universal), weg vom Marketing. Stattdessen gründete Bingham das eigene Label Axter Bingham Records, baute sich in Malibu ein eigenes Studio und produzierte die vorliegende Platte selbst. "Ich werde diese Songs die nächsten zwei Jahre jede Nacht auf Tour spielen und ich möchte mit ihnen Spaß haben", so seine Begründung.

Das alleine schon verdient Respekt. Dazu hat Bingham seinen Stil deutlich erweitert. Der Opener macht schon im Titel klar, dass es hier härter als bisher zugehen wird. "Beg For Broken Legs" beginnt mit einer schnell gezupften Akustikgitarre, geht dann aber schnell zu einer verzerrten über. Zum Schluss kommen noch orientalisch anmutende Streichereinlagen hinzu.

Rauer ist auch Binghams Stimme geworden, die in den ruhigeren Momenten mal an Bryan Adams ("Western Shore") oder Bruce Springsteen ("Flower Bomb") erinnert. Doch diese Momente sind selten. "Guess Who's Knocking" ist räudiger Südstaatenrock, der Text mit "Motherfuckers" gespickt.

Das Stück offenbart auch die Schwäche des Albums. So sehr ist Bingham darauf konzentriert, mit der Vergangenheit zu brechen, dass das Songwriting in den Hintergrund gerät. Melodien sind durchaus vorhanden, doch gehen sie im verzerrten, schon fast grungig anmutenden Klangbrei oft unter. Riffs und Soli sind auch nur im Ansatz vorhanden, so dass viele Stücke weder einen richtigen Anfang noch ein Ende haben.

Daher ist es nicht überraschend, dass die ruhigeren Stücke die besseren sind: Neben Track 2 und 3 das hymnische "Rising Of The Ghetto", "No Help From God" und das abschließende "Too Deep To Fill". Nett ist auch die schnelle Pogo-Nummer "The Road I'm On".

Mit "Tomorrowland" beweist Bingham, dass er auch anders kann. Die Zuhörer wussten es nicht zu würdigen, zumindest in den USA, wo die Platte verkaufstechnisch hinter dem Vorgänger landete. Bleibt die Hoffnung, dass Bingham auf der Bühne tatsächlich damit Spaß haben wird. Und dass er in Zukunft eher wieder seine tiefe, rauchige, eindringliche Stimme in den Mittelpunkt stellt.

Trackliste

  1. 1. Beg For Broken Legs
  2. 2. Western Shore
  3. 3. Flower Bomb
  4. 4. Guess Who's Knockin'
  5. 5. Heart Of Rhythm
  6. 6. I Heard 'Em Say
  7. 7. Rising Of The Ghetto
  8. 8. No Help From God
  9. 9. Keep It Together
  10. 10. Never Far Behind
  11. 11. The Road I'm On
  12. 12. Never Ending Show
  13. 13. Too Deep To Fill

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