laut.de-Kritik

Der 187-Rapper gibt sich schnörkellos dem Realismus hin.

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"Tickerrap, Mucke bringt kein Para, also bleibe ich im Geschäft." Sa4 sollte angesichts des Edelmetalls für "Sampler 4" der 187 Strassenbande eigentlich ausgesorgt haben und vielleicht entweder einen Anwalt oder einen Vermögensberater konsultieren. Oder er geht weiterhin davon aus, dass sich seine Zuhörerschaft nur vom Hafen bis zum Vergnügungsviertel der Hansestadt erstreckt: "Rap für die echten Jungs, nicht für die breite Masse."

Selbst im überschaubaren 187-Kosmos gibt Sa4 noch den Minimalisten. Thematisch beschränkt er sich nahezu ausschließlich auf den Verkauf von Drogen. Diese Geschichten kleidet er in eine einfache Sprache und gibt sie mit rohem, wenig variablem Flow zum Besten. Substantivketten wie im Falle von "20539" wirken da regelrecht ausgefallen: "Dopegame, Top Five, Blaulicht, Spotlight." In der Regel dominieren angestaubte Wie-Vergleiche: "Ich bin seit Jahren im Untergrund wie Bodenminen."

Als Vertreter des Dealer-Lifestyles fürchtet Sa4 lediglich die Staatsgewalt: "Wenn die Bullen kommen, rennen wir wie Arjen Robben." Rennen wie Robben? Eigentlich widmete Kollegah dem Niederländer sowie allen außerhalb Münchens residierenden Anhängern des gepflegten Rasenballsports bereits auf "Rap Money" den ultimativen Robben-Vergleich: "Parts zu droppen fällt leicht wie Arjen Robben."

"Sechzehn" bildet mit einem Flashback in die Jugend des Rappers eine Ausnahme. Doch auch hier herrscht keine adoleszente Unschuld: "In den Ghettos unterwegs mit der letzten Bahn. Bechern an der Tanke und das nächtelang. Häng' mit den gleichen Brüdern, seit ich denken kann." Die Vorstellung, dass Amphetamin und Asphaltantilopen Sa4s Lebensweg von Beginn an begleitet haben, hinterlässt einen durchaus beabsichtigten, deprimierenden Eindruck.

Die thematische Einfalt in Verbindung mit der völligen Abwesenheit von Selbstironie ermüdet auf Albumlänge zweifellos. So sagt es eine Menge über "Neue Deutsche Quelle" aus, dass Bonez MC und Gzuz immer wieder für Abwechslung sorgen. Bonez MC zitiert auf "Allstars" Savas' "Das Urteil" ("Wo ist jetzt der Diss? Ich peil's nicht ma'.") und sorgt mit bierernst vorgetragenen Zeilen für einige Lacher: "Ich bin superhübsch und meine Locken sind der Hit."

Auch Gzuz überzeugt auf "Schall Und Rauch" mit Lockerheit: "Ich träum' von ei'm Leben mit Geld wie ein Rockstar. Mit Mädchen und Haze und unendlich viel Wodka. Ich find' das so geil, also rapp' ich es nochmal: Ich träum' von ei'm Leben mit Geld wie ein Rockstar." Die ehemaligen Label-Kollegen und Neu-Ersgutejungen AK Ausserkontrolle empfehlen sich mit ihrerseits betont respektlosen Versen dagegen eher weniger für weitere Aufnahmen: "Hau dich Schwuchtel weg, denn du schuldest mir Respekt."

Jambeatz' Produktionen reißen glücklicherweise noch die unrühmlichsten Lines raus. Er ergänzt tiefe Bässe mit dezenten Synthie-Einlagen ("Tickerrap") und kreiert unheilvolle Atmosphären ("Rush Hour"), die perfekt mit der beschriebenen Parallelgesellschaft korrespondieren. Für "Olay Molay" sampelte Goldfinger Beatz äußerst stilvoll den Vers "I'm a criminal way before the rap shit" aus "Somebody's gotta die" von The Notorious B.I.G.s posthum erschienen Albums "Life After Death".

Zum Abschluss des Albums berappt Sa4 die Hamburger "Reeperbahn". Dem von Marlene Dietrich über Freddy Quinn bis Hans Albers dutzendfach neu aufgelegten Walzer "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" setzt er eine neu interpretierte, weniger beschwingte "Hymne" an das Rotlichtviertel entgegen. Besuchern rät er, lieber fernzubleiben: "Touristen werden abgezogen in den Seitenstraßen." Auch sonst verzichtet er auf jede falsche Romantik: "Nutten gehen ackern mit schlechtem Gewissen, minderjährige Bitches in Sexshops am Strippen."

Mit "Neue Deutsche Quelle" gibt sich Sa4 schnörkellos dem Realismus hin. Dass er weder technisch noch inhaltlich einen besonders innovativen Eindruck hinterlässt, gehört somit zum Konzept. Dafür vermittelt "Neue Deutsche Quelle" absolute Kohärenz, was auch mit der professionellen Produktion zusammenhängt. Das optimale Album, um den Nachhauseweg an dunklen Winternachmittagen mit Kopfhörerbeschallung zu untermalen.

Trackliste

  1. 1. Tickerrap
  2. 2. Allstars (mit Bonez MC, LX, Gzuz und Maxwell)
  3. 3. Rush Hour (mit Soni)
  4. 4. Kalter Norden
  5. 5. Fokus Auf Plus (mit LX)
  6. 6. Olay Molay (mit Hasan.K und Gringo)
  7. 7. Schnell Machen (mit Bonez MC und Gzuz)
  8. 8. 20539
  9. 9. Bunker (mit AK Ausserkontrolle)
  10. 10. Forza 187 (mit Maxwell)
  11. 11. Schall Und Rauch (mit Gzuz)
  12. 12. Sechzehn
  13. 13. So Wie Wir/Wenn Die Sonne Untergeht (mit Stik)
  14. 14. Krokodil (mit Bonez MC)
  15. 15. Reeperbahn

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9 Kommentare mit 5 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    3/5 verstehe ich auch nicht ganz, vielleicht einfach keinen Bezug zur Musik.

  • Vor 7 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 7 Jahren

    Für mich schon jetzt ein moderner Klassiker, war sehr gespannt auf sein Solo und muss sagen: Meine Erwartungen wurden übertroffen bzw. ist NDQ exakt das geworden, was ich mir ausgemalt hatte.

    Vom Intro/Tickerrap bis zum letzten Track präsentiert sich das Album in einer einheitlichen, düsteren Grundstimmung. Wer auf diese Schiene steht, kommt hier voll auf seine Kosten.

    Auch der "deepe" Track "Sechzehn" ist keine Ausnahme und fügt sich optimal in die Tracklist ein, obwohl er sich thematisch vom Rest der Platte abhebt.

    Jeder der hier etwas anderes als straighten Rap über das Viertel, illegale Substanzen, den Handel damit und das familiäre Gefühl in der Bande oder Sa4s Nachbarschaft erwartet, hat nicht aufgepasst und hier fehl am Platz.

    Und am Ende des Tages tut das Album vor allem dass, was es soll: Es unterhält mich.

    Lange kein Album mehr gehabt, auf dem ich bei jedem Track einsteigen kann und es einfach bis zum Ende durchläuft, ohne das ich auch nur einen Track skippen möchte.

    Eins mit * bzw. im laut.de Wertungssystem ausgedrückt: 5/5*

    Große Kaufempfehlung.