laut.de-Kritik
Starke Mädchen, schwache Songs.
Review von Elias RaatzSarah Engels ist seit Jahren im deutschen Pop-Zirkus unterwegs: DSDS-Vergangenheit, Schlagerballaden, Reality-TV mit Pietro, Siegerin bei The Masked Singer. Nun veröffentlichte sie ihr viertes Soloalbum als Doppelalbum mit 20 Songs, halb Deutsch, halb Englisch. "Strong Girls Club" klingt ambitioniert und nach internationalem Anspruch. Am Ende bleibt es aber ein Musterbeispiel für Pop aus dem Baukasten: überproduziert, austauschbar, ohne eigene Handschrift – quasi ein uninspiriertes Pflichtprogramm an die aktuellen musikalischen Trends im Sinne des Spotify-Algorithmus.
Versinnbildlicht wird die teils bis zur Totalverweigerung reichende Kreativlosigkeit unter anderem an der Single-Auskopplung "Gimme! Gimme! Gimme!" (mit DJ und Producer Crystal Rock). Merklich schlechter als im Original gesungenes ABBA-Cover, kreativloser Four-on-the-Floor-Beat, Plastik-House-Ästhetik: fertig ist der nächste Billig-Remix fürs Dorffest-Zelt. Engels singt so lustlos, dass man den Ohrwurm von ABBA fast mitleidig zurück in die 70er schicken möchte. This song definitely wouldn't "take me through the darkness to the break of the day".
Das titelgebende "Starke Mädchen" kommt als deutscher Pop-Schlager daher und soll zum feministischen Empowerment beitragen: "Starke Mädchen kämpfen, starke Mädchen weinen, starke Mädchen stehen für sich selbst und andere ein. Starke Mädchen stellen sich jedem Gegenwind, bis sie eines Tages starke Frauen sind." Klingt alles ein wenig wie die Message eines Wandtattoos aus dem Tedi-Sonderangebot, ist aber sicherlich gut gemeint. Sollte der Text nur einer einzigen Person Kraft schenken, hat er seine Daseinsberechtigung, auch wenn diese Person Sarah selbst ist. Die scheint vom Song übrigens so überzeugt zu sein, dass sich auf "Strong Girls Club" direkt zwei Versionen davon finden lassen: zum einen die Single-Auskopplung aus 2024 und zum anderen ein Feature mit der Schweizer Schlagersängerin Beatrice Egli. Der mit ihr gemeinsam gesungene Refrain überzeugt zumindest musikalisch auf angenehmem Sarah Connor-Niveau.
Engels' englischsprachige Seite überzeugt kaum. "Keep You Safe" versucht den internationalen Pop-Moment, landet aber irgendwo zwischen Feelgood-Muzak und Mainstream-Folkpop, zu dem es sich sicher hervorragend auf 1 und 3 klatschen lässt. "Ich Bleib" gibt die große Ballade, macht Engels' gesangliche Limitierungen jedoch gnadenlos hörbar: viel Hauchen, wenig Stimme. Immerhin solide textlich Mut machend: "Denn ich bleib hier an deiner Seite auch in schweren Zeiten. Ich bin da, wenn du mich brauchst. Ich bleib auch an dunklen Tagen, wenn deine Pfeiler nicht mehr tragen. Ich bin da, wenn du mich brauchst." Wenn's hilft.
"Mit Dir" klingt, als hätte Deutsch-Pop-Mäzen Max Giesinger betrunken ein paar Akkorde gespielt. Textlich erinnert der Song ein bisschen an die Genre-Parodie "Menschen, Leben, Tanzen, Welt" von Entertainer Jan Böhmermann, jedoch weniger wegen deren Entstehungsgeschichte, sondern eher wegen der ähnlich austauschbaren Phrasen mit null Tiefe.
Bei "Wie Nie Zuvor" gibt's dann Schlager-Parolen auf einen pumpenden Techno-Beat: "Wir sind noch lang nicht, lang nicht verloren." Bei dieser Musik ist es auch wirklich schwierig, sich darin zu verlieren. Immerhin: "Ich Hab' Geträumt Von Dir" (mit Matthias Reim) funktioniert als solider Schlager der alten Schule – Reim liefert ab, Engels singt ganz solide.
Das Grundproblem ist, dass "Strong Girls Club" alles und nichts will. Deutsch-Pop, Schlager, Balladen, Techno, internationale Pop-Nummern. Die Zweisprachigkeit wirkt nicht vielfältig, sondern wie Marketing-Kalkül. So entsteht ein Sound, der jedem Trend hinterherläuft, ohne einen eigenen zu setzen. Am Ende bleiben 20 Songs musikalisches Speed-Dating ohne Match. Dabei ist Sarah Engels längst keine Casting-Resterampe mehr. Sie ist 32, hat mehrere Alben draußen, stand oft in den Charts. Doch statt diese Erfahrung in Persönlichkeit zu verwandeln, liefert sie ein Album, das klingt wie von einem Algorithmus zusammengeklickt: glatt, austauschbar, emotionsfrei. Da helfen auch die spannenden feministischen und empowernden Ansätze wenig, die dem Album als Zelebrierung der "starken Mädchen" zumindest etwas Tiefgang geben.
Es gibt Pop, der kitschig sein darf, Schlager, der funktioniert, und sogar Dance-Cover, die Spaß machen. "Strong Girls Club" schafft es aber selten über das Mittelmaß hinaus. Engels will in die großen Fußstapfen der deutschen Pop-Diven treten, landet aber im Sound-Nirwana zwischen Casting-Show-Erinnerung, Playlist-Füllmaterial und dem Radioprogramm für Sonntagnachmittag im Möbelhaus.
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