laut.de-Kritik
In dieser Verfassung muss man sich um Saxon keine Sorgen machen.
Review von Olaf SchmidtKonstanz heißt nicht nur der Ort am Bodensee, der hauptsächlich als Redaktionssitz des Musikportals laut.de bekannt wurde. Nein, Konstanz beschreibt auch die Eigenschaft der Unveränderlichkeit - und damit perfekt die letzten zwei Jahrzehnte Saxon. Das letzte umstrittene Album der englischen Metal-Flaggschiffs stammt aus dem Jahr 1992. Seitdem legen die Männer aus Yorkshire ein gutes Album nach dem nächsten vor, mal etwas weniger abgefeiert, mal etwas mehr. Freunde des traditionellen Heavy Metals wissen, was sie bekommen, wenn sie eine Platte dieser Band erstehen.
Kann man da noch irgendwelche Überraschungen erwarten? Saxon gehen die Bataille wieder mit Andy Sneap am Mischpult an, der auf seine alten Tage wohl noch ein brauchbarer Produzent werden möchte. "Thunderbolt" klingt nämlich deutlich lebendiger und weniger flach als die letzten Machwerke, die mir von dem Mann zu Ohren gekommen sind, was vor allem am weniger klinisch-glatten Schlagzeug-Sound liegt.
Ein wie immer vollkommen überflüssiges Intro leitet das mittlerweile 22. Album der Band rund um Sänger Biff Byford und Gitarrist Paul Quinn ein, bevor es mit dem Titeltrack schön eins auf die Nuss gibt. Nicht schlecht für Musiker, die seit 41 Jahren im Geschäft sind und offensichtlich nicht ans Aufhören denken. Byford wurde vor wenigen Wochen schmale 67 Lenze alt. In dieser langen Zeit verstarb mancher Weggefährte. Und so ist es nur folgerichtig, dass Saxon kurz nach dem Ableben des letzten verbliebenen Motörhead-Urmitglieds dieser Band ein musikalisches Denkmal errichten. "They Played Rock And Roll" prescht eifrig nach vorne, dem Thema angemessen. In vier Strophen skizzieren die Yorkshirer die Karriere von Lemmy und Co., der Meister selbst tritt als Sample auf.
Und was passiert da plötzlich in "Predator"? Jemand grunzt im Duett mit dem singenden Biff Byford. Dieser Gastauftritt ist dem sensationell lustlosen Presse-Info nicht mal eine Erwähnung wert. Dabei handelt es sich unschwer erkennbar um Schwedens bekanntesten Metal-Wikinger, Johan Hegg (Amon Amarth). Dieses ungleiche Zweiergespann liest sich auf dem Papier merkwürdig, macht seine Sache jedoch erstaunlich gut. So viel zum Thema Überraschungen. Thematisch hätte Johan Hegg auch bestens in den Song "Sons Of Odin" gepasst, aber da bestellt Byford den Acker wieder alleine. Die Nummer besitzt das gleiche Schunkelpotenzial, das auch in vielen Stücken von Amon Amarth schlummert.
Überhaupt Biff Byford: Der Blondschopf singt immer noch kraftvoll wie eh und je. Mit seiner charismatischen Stimme könnte er das Amtsblatt von Oer-Erkenschwick vortragen und trotzdem den Zuhörer in seinen Bann schlagen. In besagtem "Sons Of Odin" bekommt er sogar einen hohen Schrei hin. Respekt! "The Secret Of Flight" schichtet seine Stimme gleich zu einem Dreiklang auf und stellt eins der Highlights der Platte dar.
Der "Roadies' Song" gegen Ende der Platte bekleckert sich kompositionstechnisch nicht gerade mit Ruhm. Dennoch schlägt der Sympathiefaktor von Saxon auf der nach oben offenen Skala gewaltig aus, weil sie den hart arbeitenden Bühnenhelfern ein Ständchen bringen. Mir fällt kein weiteres Stück ein, das sich überhaupt mit den Jungs (und sehr wenigen Mädels) von der Schlepp-, Stöpsel- und Stimmfraktion beschäftigt.
Ob das atmosphärische "Nosferatu" gleich in zwei Versionen auf der Standard-CD sein Unwesen treiben musste, kann man diskutieren. Die "Raw Version" verzichtet auf die Keyboards der anderen Fassung, ich bevorzuge die etwas bombastischere Einspielung. Das Stück gefällt aber in beiden Versionen. Überhaupt: In der bestechenden Form von "Thunderbolt" muss man sich um Saxon keine Sorgen machen, sondern im Gegenteil hoffen, dass die Engländer uns noch eine Weile erhalten bleiben.
4 Kommentare mit 3 Antworten
Prima Album, gibt´s nix zu meckern und ich freue mich auf die Konzerte! Aber - werft in eurem Saxon-Portrait endlich mal Black Sabbath als Mitbegründer der NWOBHM raus. Ich glaube, ihr wisst warum .
Ömm ... danke!
Tenacious D haben 2012 auf Rize of the Fenix einen Titel mit dem schönen Namen "Roadie" veröffentlicht. Mit einem wunderschönen Text...
Danke für den Hinweis.
Gern geschehen!
https://youtu.be/3b1acvZRvV4
Gute Rezi, noch besseres Album:-)
Aber wenn der Rezensent schon die Hommage an Motörhead lobend erwähnt, sollte er sich auch an "We are the Roadcrew" erinnern, dass von Lemmy bereits 1980 zu Papier gebracht wurde (auf dem Pik-As-Album) und seitdem in JEDEM Livekonzert gebracht wurde (Ankündigung: "This one's dedicated to a fine body of men"); üblicherweise kamen dazu auch alle Roadies auf die Bühne, deren Tätigkeit das während der Konzerte erlaubte.