laut.de-Kritik
Diese Songs reißen Wunden - und schließen sie wieder.
Review von Martin LeuteMal umgarnt sie den Hörer sanft, mal brüllt sie ihm zu roher Instrumentierung hysterisch ins Ohr. Stets ist mit allem zu rechnen. Zwischen sprödem Indierock und zärtlichem Alternative-Folk agiert Scout Niblett mit viel Lo Fi-Attitüde Ihre Songs reißen Wunden und schließen sie wieder.
Wenn man weiß, dass Steve Albini auf "This Fool Can Die Now" seine Hände als Produzent im Spiel hat und außerdem der famose Will Oldham auf vier Songs als Duettpartner firmiert, dann schlägt das Indie-Herz schneller.
Der Opener "Do You Want To Buried With My People?" entpuppt sich gleich als entwaffnende, nur von der Akustischen begleitete Singer/Songwriter-Nummer, in der Scouts schräger Gesang wunderbar mit Oldhams warmer Stimme harmoniert. Mit "Kiss" schließt sich das nächste Duett an, ein sechsminütiges Stück, sachte instrumentiert mit der E-Gitarre, Schlagzeug und verhaltenen Streichern. Sie übernimmt den ersten Part, er den zweiten, um schließlich gesanglich miteinander zu verschmelzen, um damit eines der berührendsten Duette ever vollendet zu haben.
Mit "Moon Lake" stellt Scout den Hörer erstmals auf die Probe: Das rumpelnde, um sich selbst kreisende Schlagzeug fungiert als einziges Begleitinstrument zu der gewöhnungsbedürftigen Stimme. "Let Thine Heart Be Warmed" beginnt verhalten, um mit derben Gitarrenwänden erbarmungslos vor den Kopf zu stoßen. Ähnliches vollbrachte PJ Harvey in ihren frühen Tagen.
Ebenso rau und aufbegehrend wühlt sich "Your Last Chariot" ins Hirn, während der Niblett die Stimme zu entgleiten droht. Minimalistisch und ruhig gibt sie sich in "Black Hearted Queen", ehe sie zu Violine und Akustikgitarre ebenso leise den Marilyn Monroe-Klassiker "River Of No Return" mit Oldham als Gesangspartner zum Besten gibt.
Rohe E-Gitarre und erweichender Gesang huldigen dem Blues im klagenden "Nevada - mit erstaunlich hohen Tonlagen verschreckt sie zur Gitarrenbegleitung in "Baby Emma". Brüchig klingt die Stimme dann im zurückgenommenen "Yummy", bei dem ebenso wie bei der ruhigeren Nummer "Dinosaur Egg" eine schlichte Gitarrenlinie zugrunde liegt. Zu Recht verlässt sie sich ganz auf die starke Wirkung ihres Organs.
"Hide And Seek" beginnt verhalten, um mit einem wütenden Gitarrenausbruch auszuklingen. Dem wieder mit Mister Oldham intonierten "Comfort You", das im Original von Van Morrison stammt, folgt der letzte Track "Fish And Honey", eine auf schlichten Akkorden basierende Pianoballade.
Wirklich fröhlich Songs wird Scout Niblett wohl niemals schreiben. Trauer, Verletzlichkeit und Sehnsucht verleihen "This Fool Can Die Now" eine dunkle Klangfarbe. Mit ihrem reduzierten und unmittlbaren Indie-Folk positioniert sich Niblett eindrucksvoll zwischen den frühen, aufwühlenden Werken einer Liz Phair, PJ Harvey und Cat Power.
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